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Bundestag beschließt Modernisierung des Namensrechts – für mehr Flexibilität und neue Freiheiten (19.04.2024)

Der Bundestag hat am Freitag, 12. April 2024, mit den Stimmen der Regierungsfraktionen SPD, Grüne und FDP seinen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamenrechts beschlossen, welches zum 01. Mai 2025 in Kraft treten soll.

 

„Das geltende Namensrecht in der Bundesrepublik Deutschland ist – gerade im internationalen Vergleich – eher restriktiv und wird aufgrund der vielfältigen Lebenswirklichkeiten der Gegenwart den Bedürfnissen in Familien nicht mehr gerecht“, begründete die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf zur Modernisierung des Namensrechts.  

 

Im Wesentlichen beinhaltet der Gesetzesentwurf folgende wichtige Neuerungen:

 

I. Echte Doppelnamen für Eheleute und Kinder

Bislang können sich Eheleute entweder für einen gemeinsamen Ehenamen entscheiden oder einer der beiden Ehepartner kann einen Begleitnamen tragen. Künftig können Ehepaare einen gemeinsamen Doppelnamen, der sich aus ihren jeweiligen Familiennamen zusammensetzt, als Ehenamen führen. Dieser Doppelname ist dann auch der Geburtsname des gemeinsamen Kindes. Das Kind kann allerdings auch dann einen Doppelnamen als Geburtsnamen tragen, wenn die Eltern diesen selbst nicht als Ehenamen führen und sogar auch dann, wenn die Eltern nicht verheiratet sind. So soll die Zugehörigkeit des Kindes zu beiden Eltern nach außen „dokumentiert“ werden.


Der Ehe- bzw. Geburtsname darf sich jedoch nur aus zwei Namen neu zusammensetzen.

Tragen also beide Eheleute vor der Heirat jeweils einen Doppelnamen, müssen sie sich für je einen Namen entscheiden, um daraus einen neuen Doppelnamen als Ehenamen zu bilden. Lange Namensketten bleiben somit weiterhin untersagt.

Der Doppelname kann durch einen Bindestrich verbunden werden, dies ist nun aber nicht mehr vorgeschrieben.

 

II. Erleichterte Namensänderung für Scheidungs- und Stiefkinder

Für Kinder aus Scheidungsfamilien wird es künftig leichter, ihren Namen zu ändern und so entsprechend ihrer Lebenssituation anzupassen. Leben sie beispielsweise bei einem Elternteil, das den Ehenamen abgelegt hat und nun nicht mehr mit dem Geburtsnamen des Kindes übereinstimmt, kann das Kind den Geburtsnamen ändern.


Auch einbenannten Stiefkindern soll eine erleichterte Rückbenennung ermöglicht werden. So insbesondere dann, wenn die Ehe des leiblichen Elternteils mit dem Stiefelternteil aufgelöst wurde oder es nicht mehr im Haushalt der Stieffamilie lebt.


Minderjährige Kinder müssen grundsätzlich im Haushalt des Elternteils leben, dessen Namen sie annehmen wollen. Ist das Kind über fünf Jahre alt, muss es in die Namensänderung einwilligen. Eine Namensänderung gegen den Willen eines Elternteils soll grundsätzlich nicht erfolgen können. 


Volljährige Kinder können den Geburtsdoppelnamen auch auf einen eingliedrigen Geburtsnamen kürzen.

 

III. Rücksicht auf namensrechtliche Tradition

Mit den Änderungen wird zudem mehr Rücksicht auf namensrechtliche Traditionen sowohl nationaler Minderheiten als auch ausländischer Namensregelungen genommen. Darunter fällt beispielsweise die geschlechterangepasste Namensführung des Familiennamens von Sorbinnen (beispielsweise Kralowa in Abwandlung von Kral) und für andere slawische Familiennamen.


Ebenfalls soll die traditionelle Namensführung der friesischen Volksgruppe und der dänischen Minderheit ermöglicht werden. So bildet sich bei Friesen der Geburtsname traditionell aus dem Vornamen eines Elternteils (beispielsweise Jansen in Ableitung von Jan als Vorname des Vaters), während sich nach dänischer Namenstradition der Geburtsname unter Heranziehung eines – ggf. bereits verstorbenen – nahen Angehörigen als Doppelnamen ohne Bindestrich bildet (beispielsweise Albertsen Christensen unter Heranziehung des Familiennamens des Großvaters).

 

IV. Erwachsenenadoption

Mit dem neuen Gesetz wird ebenfalls der Zwang zur Namensänderung nach einer Erwachsenenadoption aufgehoben. Auch wird mit dem neuen Gesetz die Möglichkeit geschaffen, einen Doppelnamen aus dem bisherigen Namen und dem Namen der annehmenden Person zu schaffen.

 

Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Änderung des Namensrechts finden Sie hier.

 


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Kurzzeitvermietung über Airbnb, Kleinanzeigen & Co. - Netter Nebenverdienst oder drohende Bußgeldfalle? - Die Situation in Nordrhein-Westfalen. (18.04.2024)

Die Urlaubssaison steht vor der Tür. Die Wohnung steht in den Tagen und Wochen der Abwesenheit leer. Vielleicht haben auch Sie in dieser oder einer ähnlichen Situation schon mal darüber nachgedacht, Ihr Urlaubs- oder sonstiges Budget mit der Kurzzeitvermietung Ihrer Wohnung aufzubessern? Dabei gilt es jedoch einiges zu beachten – sonst landet das Geld nicht etwa in der Urlaubskasse, sondern bei der Bußgeldbehörde.

 

In Nordrhein-Westfalen ist zum 01. Juli 2021 das Wohnraumstärkungsgesetz (WohnStG NRW) in Kraft getreten. Es soll vor allem dazu dienen, das ohnehin rar gesäte und mithin stark umkämpfte Angebot bezahlbaren Wohnraums in Ballungsgebieten für die dort lebende Bevölkerung zu sichern und so den Wohnungsmarkt zu verbessern.

 

Der nordrheinwestfälische Landesgesetzgeber aus Düsseldorf hat es sich insbesondere zur Aufgabe gemacht, gegen auftretende Formen der Zweckentfremdung von Wohnraum vorzugehen.

 

Von einer Zweckentfremdung ist dann die Rede, wenn Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken verwendet wird. Darunter fallen zum Beispiel die Nutzung einer Wohnung als Büro, aber auch das Leerstehenlassen über einen bestimmten Zeitraum (sechs Monate) und die Kurzzeitvermietung über eine bestimmte Anzahl von Tagen (grundsätzlich 90 Tage pro Kalenderjahr). 

 

Städte und Gemeinden sind nach § 12 Abs. 1 WohnStG dazu ermächtigt, eigene Wohnraumschutzsatzungen zu erlassen. Hiervon haben bisweilen sechs Städte in NRW Gebrauch gemacht: Köln, Düsseldorf, Dortmund, Bonn, Münster und Aachen. Wer in einer dieser Städte wohnt und seine Wohnräume zur Kurzzeitvermietung anbieten möchte, benötigt seit dem 01. Juli 2022 eine sogenannte Wohnraum-Identitätsnummer (Wohnraum-ID). Allerdings sollten Sie sich vorher unbedingt vergewissern, ob zwischenzeitlich nicht auch Ihre Stadt oder Gemeinde eine entsprechende Satzung erlassen hat. 


Registrierungs- und Anzeigepflicht

Die Stadt Köln hat für die Vergabe der Wohnraum-ID ein landeseinheitliches Online-Verfahren entwickelt. Sie wird automatisiert und kostenfrei erteilt. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die Wohnraum-ID zwingend bei der Inserierung der zu vermietenden Wohnräume gut sichtbar angegeben werden muss. Wer keine Wohnraum-ID beantragt oder es unterlässt, diese bei der Inserierung anzugeben, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld bis zu 500.000 EUR geahndet werden kann. Ebenfalls muss jede einzelne Überlassung von Wohnraum, also jede einzelne Buchung, spätestens am zehnten Tag nach Beginn der Überlassung bei der Stadt angezeigt werden. Dies können Sie online mittels des Belegungskalenders erledigen. Auch eine Nichtanzeige stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die ebenfalls mit einem Bußgeld bis zu 500.000 EUR geahndet werden kann. Zudem kann die Wohnraum-ID auch wieder deaktiviert werden, wenn Buchungen nicht ordnungsgemäß angezeigt werden. Wer mehrere Wohnungen zur Kurzzeitvermietung anbieten möchte, braucht zwingend für jede Wohnung eine eigene Wohnraum-ID. 


Wann ist eine Kurzzeitvermietung genehmigungspflichtig?

Jede Kurzzeitvermietung ist zunächst einmal anzeigepflichtig. Genehmigungspflichtig ist sie dann, wenn der Zeitraum der Vermietung mehr als drei Monate bzw. 90 Tage pro Kalenderjahr beträgt. Für Studierende gilt in dem Zusammenhang eine Sonderregelung. Diese können ihre Wohnräume auch bis zu sechs Monate bzw. 180 Tage pro Kalenderjahr ohne Genehmigung kurzzeitvermieten. Allerdings müssen Studierende ebenfalls, wie jede und jeder andere auch, eine Wohnraum-ID beantragen und die Überlassung ihrer Wohnung bei der Stadt anzeigen. Studierende müssen darüber hinaus auch eine aktuelle Studienbescheinigung vorlegen.

 

Wenn Sie Ihren Wohnraum für mehr als 90 Tage (bzw. 180 Tage für Studierende) vermieten möchten, benötigen Sie eine Zweckentfremdungsgenehmigung der Stadt. Diese wird allerdings lediglich im Ausnahmefall erteilt. Ein solcher liegt vor, wenn das Interesse der Kurzzeitvermietung das öffentliche Interesse am Erhalt von Wohnraum für den allgemeinen Wohnungsmarkt überwiegt. Für ein solches Genehmigungsverfahren fallen allerdings Gebühren von mindestens 500 EUR an. 


Das Wichtigste für Sie im Überblick:

  • Wohnraum-ID online beantragen (Registrierungspflicht)
  • Wohnraum-ID im Angebot angeben und jede Buchung online im Belegungskalender kennzeichnen (Anzeigepflicht)
  • Bei Kurzzeitvermietung über drei (für Studierende sechs) Monate, eine gebührenpflichtige Zweckentfremdungsgenehmigung bei der Stadt einholen (Genehmigungspflicht) 


Weitere Infos zur Vergabe der Wohnraum-ID finden Sie hier.

Eine Schritt-für-Schritt Anleitung zu Ihrer Wohnraum-ID hier.

 

Unter nachfolgenden Links finden Sie die Wohnraumschutzsatzungen der sechs Städte in NRW:

 

Köln

https://www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/satzungen/satzung_zum_schutz_und_erhalt_von_wohnraum__wohnraumschutzsatzung__vom_30._juni_2021.pdf

 

Düsseldorf

https://www.duesseldorf.de/stadtrecht/6/64/64102-satzung-der-landeshauptstadt-duesseldorf-zum-schutz-und-erhalt-von-wohnraum

 

Dortmund

https://www.dortmund.de/themen/wohnen/wohnraumschutz-und-zweckentfremdungsverbot/

 

Bonn

https://www.bonn.de/service-bieten/stadtpolitik-ortsrecht/ortsrecht/soziales-gesundheit-sport/zweckentfremdungssatzung.php

 

Münster

https://www.stadt-muenster.de/wohnungsamt/wohnraumschutzsatzung

 

Aachen

https://serviceportal.aachen.de/suche/-/vr-bis-detail/dienstleistung/2408240/show


Fazit

Das einfach und schnell dazuverdiente Geld durch eine Kurzzeitvermietung ist zwar verlockend, die Folgen eines Verstoßes gegen die gesetzlichen Vorgaben sollten Sie dabei aber nicht unterschätzen. Dieser Schritt sollte daher wohl überlegt sein und bestenfalls mit einem erfahrenen Rechtsberater besprochen werden.

 

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Flughafen Köln-Bonn: Öffentliche Bekanntmachung des Planfeststellungsbeschlusses für die Erweiterung des Vorfelds A (19.03.2024)

Bekanntmachung des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 31.01.2024, II.5-31-21-4 (2)


Der Flughafen Köln-Bonn soll erweitert werden. Ziel ist es, zusätzliche Abstellpositionen für Flugzeuge zu schaffen, den sog. „Frachtriegel“ neu zu ordnen (Frachthallen, Hangars, Betriebsgebäude u.a.) sowie die Erweiterung diverser Hochbauten (Frachtzentrum General Cargo, Anbau Terminal 2, Parkhäuser, Verwaltungsgebäude, Hotel). Die Vorfeldflächen sind bereits vorhanden, wurden allerdings bisher nicht genutzt. Vorhabenträgerin ist die Flughafen Köln/Bonn GmbH. Eine Baugenehmigung muss diese noch gesondert beantragen.

 

Bei solchen, raumbedeutsamen Vorhaben, die aufgrund ihrer räumlichen Dimensionen und möglichen Auswirkungen für die Umgebung (insb. Lärmschutz, Naturschutz) eine Vielzahl von öffentlichen und privaten Belangen berühren, ist regelmäßig ein Planfeststellungsverfahren als besonderes Verwaltungsverfahren nach §§ 72 ff. VwVfG durchzuführen. Im Anschluss an das Planfeststellungsverfahren ergeht ein Planfeststellungsbeschluss.

 

Da aufgrund der Größe des Vorhabens mehr als 50 Zustellungen des Planfeststellungsbeschlusses hätten erfolgen müssen, wird die Zustellung gemäß § 74 Abs. 5 VwVfG NRW durch die öffentliche Bekanntmachung ersetzt. Der gesamte Planfeststellungsbeschluss und die festgestellten Planunterlagen sind auf der Internetseite des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehrs des Landes Nordrhein-Westfalen unter dem obigen Link einsehbar.

 

Der Planfeststellungsbeschluss ist ein Verwaltungsakt. Gegen diesen kann innerhalb eines Monats nach Zustellung, die durch die öffentliche Bekanntmachung gemäß § 74 Abs 5 VwVfG ersetzt wird, Klage beim Oberverwaltungsgericht für das Land NRW, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, erhoben werden.

 

Sollten Sie durch den Planfeststellungsbeschluss betroffen sein, sprechen Sie uns gerne an. Wir beraten Sie gerne zu dem Thema. 


 

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Ausgebrannter Oldtimer - trotz Kfz-Versicherung kein voller Schadensersatz (06.03.2024)

Anmerkung zu LG Frankenthal, Urteil vom 17.01.2024 - 3 O 230/23 - mdr-recht.de (Volltext der Entscheidung liegt noch nicht vor)


Der Eigentümer eines Oldtimers muss selbst darauf achten, den versicherten Wert regelmäßig an den ggf. gestiegenen Marktwert anzupassen - der Betrag der Wertsteigerung wird sonst nicht ersetzt, so das LG Frankenthal in seinem Urteil vom 17.01.2024.

 

Sachverhalt

Der Eigentümer eines Oldtimers hatte diesen gegen Beschädigung oder Zerstörung zum in dem Zeitpunkt aktuellen Marktwert versichert. Durch einen Brand in einer Tiefgarage wurde das Fahrzeug schwer beschädigt. Laut dem von der Kfz-Versicherung eingeholten Gutachten betrug der Wert des Oldtimers am Tag des schädigenden Ereignisses knapp 41.000 €, den die Versicherung dem Eigentümer sodann auszahlte. Dieser wiederum gab sich mit der Summe nicht zufrieden, da er die Auffassung vertrat, sein Oldtimer sei deutlich mehr wert gewesen. Daher holte er ebenfalls ein Gutachten ein, nach welchem von einem knapp 8000 € höheren Wert des Fahrzeugs ausgegangen wurde und verlangte entsprechend die Auszahlung der Differenz von der Versicherung.


Entscheidungsgründe

Das Landgericht Frankenthal hat die Klage wegen Unterdeckung abgewiesen. Dabei bezieht sich das Gericht, wie auch die Versicherung zuvor, auf die im Versicherungsvertrag festgehaltenen Sonderbedingungen für historische Fahrzeuge. Aus diesen ergibt sich, dass ein Schaden zwar grds. bis zur Höhe des aktuellen Marktwerts ersetzt wird. Allerdings ist die Höchstentschädigung durch den Marktwert begrenzt, der bei Abschuss des Versicherungsvertrages vorlag. Bei Wertsteigerung kann der Versicherte maximal 10 % mehr als den damaligen Marktwert verlangen. Im vorliegenden Fall betrug dieser rund 36.000 €. Dem Oldtimer-Eigentümer stehe daher keine höhere Entschädigung zu, als seine Versicherung bereits ausgezahlt hat. Vielmehr müsse er als Eigentümer eines Oldtimers selbst darauf achten, den versicherten Wert regelmäßig an den Marktwert anzupassen. 


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Wo fühlt sich Bruno am wohlsten? – Das AG Marburg über die Zuweisung eines Familienhundes nach Trennung der Eheleute  (01.03.2024)

Anmerkung zu AG Marburg, Urteil vom 03.11.2023 - 74 F 809/23 WH - hessenrecht.hessen.de

 

Die Aufteilung des gemeinsamen Haushalts nach einer Trennung birgt nicht selten großes Konfliktpotential. Besonders emotional kann es bei der Frage nach dem Verbleib des gemeinsam angeschafften Hundes werden. Darüber hatte zuletzt das AG Marburg zu entscheiden. Seinem Urteil vom 03.11.2023 liegt dabei vor allem eine Abwägung unter dem Aspekt des Tierwohls als „oberstes Entscheidungsprinzip“ zu Grunde.

 

Auch wenn es sich gem. § 90 a BGB bei einem Hund ausdrücklich nicht um eine Sache im Sinne des Gesetzes handelt, werden sie rein rechtlich wie solche behandelt. So findet auch § 1361 a BGB, der die Verteilung der Haushaltsgegenstände von Getrenntlebenden regelt, auf die „Verteilung“ eines Haustiers analog Anwendung. In solchen, die Lebewesen betreffende Fälle sind sog. Tierwohlkriterien ausschlaggebend.

 

Sachverhalt

Im Jahr ihrer Hochzeit, 2012, schaffte sich das Ehepaar gemeinsam einen Berner Sennenhund-Rottweiler-Mix an. Bruno hat sein gesamtes elfjähriges Leben in dem Einfamilienhaus der Eheleute verbracht, zu dem auch ein eingezäuntes Gartengrundstück gehört. Nach der Trennung im Jahr 2023 zog die Ehefrau aus und nahm Bruno – ohne dies mit ihrem Ehemann abzusprechen – in ihr neues, 500 km entferntes zuhause mit. Der Ehemann begehrte daraufhin die Herausgabe des Hundes und die vorläufige Zuweisung des Tieres während der Trennungszeit.

 

Entscheidungsgründe

Dabei hatte sich das Gericht in seinen Abwägungen unter dem Aspekt des Tierwohls mit den Fragen zu beschäftigen, wer Hauptbezugsperson des Hundes ist, wer sich am bestem um das Tier kümmern kann und wer das artgerechtere Umfeld bieten kann.

Zwar behaupten beide Eheleute, jeweils die Hauptbezugsperson Brunos zu sein, das Gericht ist aber überzeugt, dass Bruno zu beiden ein gleich enges Verhältnis hegt und sowohl Herrchen, als auch Frauchen ihn entsprechend gut versorgen würden. Dabei hielt das Gericht es unter anderem für nachrangig, dass der Ehemann überwiegend aus dem Homeoffice arbeitet, wohingegen Bruno bei seinem Frauchen an Arbeitstagen sechs Stunden allein gelassen werden würde. Das Gericht traf keine Entscheidung pro Herrchen bzw. contra Frauchen, sondern für die Lebensqualität Brunos. Diese sei in Anbetracht aller Details bei seinem Herrchen höher, insbesondere wegen des Gartens. Dort fühle er sich als „Herrscher in seinem Revier, das er kontrollieren und gegebenenfalls auch bewachen kann. Dort kann er beispielsweise auch einen Knochen verstecken und diesen nach einiger Zeit wieder ausgraben und dergleichen“, begründete das AG Marburg seine Entscheidung.  Neben Bruno muss die Ehefrau auch alle dem Hund zuzuordnenden Gegenstände, wie Impfpass, Leine und Geschirr/Halsband, Hundesteuermarke, Futternäpfe, Hundebett und Kuscheltiere herausgeben.

 

Das AG Marburg hat analog § 209 Abs. 2 S. 2 FamFG die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses angeordnet. Zwar ist dies für Hausratsentscheidungen nicht vorgesehen, doch handele es sich bei Bruno eben nicht um einen klassischen Haushaltsgegenstand. Vielmehr können hier Parallelen zur Herausgabe eines Kindes gezogen werden. Den Umzug von Bruno weiter hinauszuzögern, werde keinem der Beteiligten gerecht. So vermisst sein Herrchen Bruno „schmerzlich“ und auch der „Trennungsschmerz“ seines Frauchens würde nur umso größer, je länger Bruno bei ihr lebt. Im Vordergrund stehe aber vor allem Brunos Wohl. Nach Ansicht des Gerichts könne dieser die Trennung seiner beiden Hauptbezugspersonen in seiner vertrauten Umgebung besser verarbeiten.  


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Aktueller Beitrag in der IMR unseres Partners RA Klaus Modigell, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht (15.02.2024)

Gartensondernutzungsrecht erlaubt kein Gartenhaus!


  1. Bauliche Änderungen am einer Sondernutzungsfläche stellen eine nicht ordnungsgemäße Nutzung dar, wenn sie den Rahmen des eingeräumten Sondernutzungsrechts überschreiten.
  2. Das für eine unbebaute Grundstücksfläche eingeräumte Gartensondernutzungsrecht gestattet mit der Nutzung, wie wenn der sondernutzungsberechtigte Eigentümer eines Gartens in einem real geteilten Grundstück wäre, keine bauliche Veränderung ohne Beschluss.


LG München I, Urteil vom 13.12.2023 - 1 S 3566/23 WEG


WEG §§ 10, 18 Abs. 2 Nr.2, § 20


Der vollständige Beitrag ist zu lesen unter ibr-online: Neue Beiträge.


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"Ungerecht" und "völlig unsinnig" - Kölner Ehepaar darf Straße vor ihrem Haus nicht nutzen  (23.01.2024)

Anmerkung zu AG Köln, Urteil vom 03.01.2024 – 149 C 520/23 - openjur.de


Das AG Köln hatte sich erneut mit einem Streit zwischen einem Kölner Ehepaar und einer Immobiliengesellschaft zu beschäftigen, die Eigentümerin der Straße vor dem Haus der Eheleute ist und diesen die Nutzung der Straße und damit den direkten Zugang zum öffentlichen Straßennetz untersagt. Bei einem Verstoß droht ihnen ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, kann dieses nicht gezahlt werden sogar eine Ordnungshaft von bis zu sechs Wochen. Mit Berufung auf ein Notwegerecht könnten die beklagten Eheleute eine Nutzungsduldung wohl durchsetzen, hatten dies allerdings bislang versäumt: „Ein Notwegerecht entsteht nicht schon dann, wenn einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege fehlt. Vielmehr stellt das Verlangen eines Notwegs ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal dar.“, stellt das AG Köln in seiner Entscheidung vom 03.01.2024 klar. 


Sachverhalt

Das Straßengrundstück, dass den einzigen direkten Zugang vom Grundstück der Eheleute zum öffentlichen Straßennetz bietet, steht im Eigentum einer Immobiliengesellschaft. Diese hat den Eheleuten gegenüber keine Nutzungserlaubnis ausgesprochen. Der Streit zwischen den Parteien dauert seit drei Jahren an und wurde dabei auch immer wieder vor dem AG Köln ausgetragen. Erstmals entfachte ein Streit zwischen Hausbesitzern und Straßeneigentümerin, als das Ehepaar die Straße aufreißen lassen mussten, um einen Gasanschluss zu verlegen. 


Als Reaktion darauf erreichte die Immobiliengesellschaft vor dem AG Köln zunächst, dass die Eheleute die Straße vor ihrem Haus nicht mehr zum Parken nutzen dürfen. Damit nicht genug; sodann verklagte die Immobiliengesellschaft das Paar auf die Zahlung einer Nutzungsentschädigung von 50 € täglich. Zwar hielt das AG Köln die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für angemessen, setzte den Betrag allerdings auf 300 € jährlich fest.


Die Immobiliengesellschaft installierte zudem Metallpoller auf dem Straßengrundstück. Einige der Anlieger erhielten die zu den Pollern gehörigen Schlüssel, nicht jedoch das Ehepaar. Daher konnten sie ihr Haus nur noch erreichen, indem sie die Poller umfuhren, wobei sowohl die Ehefrau als auch ein von den Eheleuten bestellter Handwerker einmal die Poller touchierten.


Dies brachte die Eheleute und die Immobiliengesellschaft erneut vor das AG Köln: Die Immobiliengesellschaft beantragte, den Eheleuten die Straßennutzung unter Androhung von Sanktionen zu verbieten.


Entscheidungsgründe

Das AG Köln gab dem Antrag statt, der entsprechende Anspruch leitete sich aus § 862 I S. 1, 2 BGB ab. Das Begehen oder Befahren der Straße mache die Eheleute zu unmittelbaren Handlungsstörern im Sinne der Vorschrift. Benutzen Dritte, wie Gäste, Lieferanten oder Handwerker der Eheleute, die Straße, mache sie das zu mittelbaren Handlungsstörern. Ebenfalls stören die Eheleute die Immobiliengesellschaft auch durch verbotene Eigenmacht in ihrem Besitz, gem. § 858 I BGB, denn, „schon das unbefugte Benutzen eines Weges stellt eine Störung im Besitz dar“.


Diese Störung ist zudem nicht gestattet. Eine Gestattung könnte sich aus einem Notwegerecht gem. § 917 I BGB ergeben, allerdings machen die beklagten Eheleute ein solches bislang nicht geltend. Ein Notwegerechte stelle laut dem AG Köln die einzige Rechtsgrundlage dar, die den Eheleuten das Betreten und Befahren der Straße gestatten würde.


Dass die Straße von anderen Anwohnern genutzt werden darf - und überdies auch von den Voreigentümern des streitgegenständlichen Hausgrundstückes genutzt werden durfte - ein Nutzungsverbot also explizit für das Ehepaar gilt, sei laut AG Köln zwar „objektiv ungerecht“ und „vollkommen unsinnig“, ändere aber nichts an der Rechtslage. Das Straßengrundstück befindet sich im Privateigentum der Immobiliengesellschaft und diese muss die Nutzer ihres Straßengrundstücks, anders als eine öffentliche Gebietskörperschaft, nicht „gerecht“ oder „gleich“ behandeln. Um sich gegen diese „ungerechten“ Maßnahmen zu wehren, stehe den Beklagten gerade das Notwegerecht bereit.


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Update für Bauen in NRW: Änderung der Landesbauordnung tritt zum 1.1.2024 in Kraft (17.11.2023)

Der NRW-Landtag hat am 26.10.2023 mit den Stimmen der Regierungsfraktionen CDU und GRÜNEN gegen die Stimmen der SPD, FDP und AfD, die zweite Novelle der Landesbauordnung angenommen und verabschiedet. Die Änderung zielt vor allem auf die Stärkung und Erleichterung des Ausbaus erneuerbarer Energie, des Mobilfunks, den Wohnungsbau und Umbau vorhandener Gebäude ab. Das Gesetz tritt am 1.1.2024 in Kraft.

 

Beratungsstand 2. Gesetz zur Änderung der Landesbauordnung 2018, Gesetzentwurf, Landtag NRW

 

Die Änderung der Landesbauordnung 2018 soll Maßnahmen zur Einsparung von CO2-Gebäudeemissionen und die Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien vereinfachen. So bspw. den Ausbau der Windenergie, Solarenergieanlagen und von Wärmpumpen. Die Mindestabstände von Solaranlagen und Wärmepumpen zu benachbarten Grundstücken sollen wegfallen. Zudem soll sich der Abstand von Windenergieanlagen zu Grundstücksgrenzen und Wohngebäuden künftig nach 30 statt zuvor 50 Prozent ihrer größten Höhe richten.

Weiterhin soll nachhaltiges Bauen („Bauen mit Holz“) und der Umbau bestehender Gebäude verstärkt gefördert werden.

Die Novelle zielt auch auf die Gestaltung von Gartenflächen ab: Das Anlegen von „Schottergärten“ und die Verwendung von Kunstrasen auf nicht bebauten Flächen werden unzulässig, um dem Rückgang einiger Insektenarten und ihrer Ökosystemleistung entgegenzuwirken.

Ebenfalls sollen der Mobilfunkausbau und die Baugenehmigungsverfahren erleichtert und beschleunigt werden: Für den Mobilfunkausbau soll gelten, dass Antennen im Außenbereich künftig ohne Höhenbegrenzung verfahrensfrei gestellt werden. Um die Baugenehmigungsverfahren zu erleichtern, sollen unter bestimmten Voraussetzungen höhere Wohngebäude (bis einschließlich Gebäudeklasse 4) unter eine Genehmigungsfreistellung fallen. Ferner sollen Bauanträge künftig auch per E-Mail eingereicht werden können und bestimmte Handwerkermeisterinnern und -meister in den Kreis der Bauvorlagenberechtigten einbezogen werden.

Geplant ist außerdem die Anpassung des NRW-Bauordnungsrechts an die Musterbauordnung. 


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KG: Keine Kompensation eines sittenwidrigen Ehevertrages durch Fortsetzung der Ehe und kostenfreies Wohnen  (07.11.2023)

Anmerkung zu KG, Urteil vom 28.08.2023 – 16 UF 21/23, Urteil bislang nur bei beck-online: https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fents%2Fbeckrs%2F2023%2Fcont%2Fbeckrs.2023.28045.htm&anchor=Y-200-GE-KG-AZ-16UF2123-D-2023-08-28


Wird ein Partner durch einen wechselseitigen Globalverzicht stark benachteiligt, ist der Ehevertrag sittenwidrig, soweit der Verzicht nicht kompensiert wird. Nach Ansicht des Kammergerichts reicht das Fortführen der Ehe und eine kostenfreie Mitwohngelegenheit nicht aus, um diesen Nachteil zu kompensieren.


Sachverhalt

Die Ehefrau, eine belarussische Lehrerin und ihr deutscher Mann schlossen eineinhalb Jahre nach der Heirat einen Ehevertrag. Mit diesem Ehevertrag wurde ein Globalverzicht verabredet: Der Versorgungsausgleich wurde vollständig ausgeschlossen, eine Gütertrennung vereinbart und auch der nacheheliche Unterhaltsanspruch wurde weitestgehend ausgeschlossen, außer für den Fall der Kinderbetreuung. Dem Abschluss dieses Ehevertrages lag aber kein wirklich freier Willensentschluss der Ehefrau zugrunde. Der Ehemann drohte seiner Frau, sich scheiden zu lassen, würde sie den Ehevertrag nicht unterzeichnen, wodurch sie ihren Aufenthaltstitel verlieren würde. Der beurkundende Notar bestätigt, dass die Frau während des Beurkundungstermins durchgängig geweint hat und er den Eindruck erhielt, der Vertrag würde nicht dem Willen der Ehefrau entsprechen.

In den folgenden Jahren war es der Ehefrau selbst nicht möglich, einer Tätigkeit nachzugehen oder sich weiterzubilden, da sie ihren Ehemann auf mehrmonatige Montageaufenthalte ins Ausland begleitete. Während der Ehe kaufte der Mann eine Eigentumswohnung, in der die Eheleute gemeinsam lebten. 2020 ließen sich die Eheleute scheiden. Das Familiengericht führte den Versorgungsausgleich durch, da es den Ehevertrag für sittenwidrig erklärte. Dagegen wehrte sich der Ehemann erfolglos vor dem Kammergericht.


Entscheidungsgründe

Das Kammergericht kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Ehevertrag der Inhalts- und Ausübungskontrolle nach § 8 I VersAusglG nicht standhält, da dem Verzicht auf den Versorgungsausgleich vorliegend keine Kompensation gegenübersteht. Der Ehevertrag sei gem. § 138 I BGB sittenwidrig und somit nichtig.


In seiner Gesamtwürdigung geht das KG auf folgende Punkte ein:


  • Zwischen Ehemann und Ehefrau bestand ein eindeutiges wirtschaftliches Gefälle. Während er im Jahr des Ehevertragsschlusses (2012) ein Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen der Sozialversicherungen bei 67.200 € verdiente, belief sich das Jahreseinkommen der Frau auf lediglich 1.200 € brutto. Von einer „Doppelverdienerehe“, wie es der Ehemann bezeichnete, kann demnach keine Rede sein. Dabei unterstrich das KG, das der Ehefrau die Möglichkeit Sprachkurse zu besuchen und Qualifikationen zu erwerben, um einer eigenen Tätigkeit in Deutschland nachzugehen dadurch genommen wurde, dass sie ihren Mann auf den ständigen, langen Montageeinsätzen begleitete.
  • Das KG ging ebenfalls auf die ausländerrechtliche Situation der Ehefrau ein: Wäre die Ehe im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages geschieden worden, hätte sie über keinerlei Aufenthaltstitel mehr verfügt. Dieser Umstand gepaart mit dem wirtschaftlichen Gefälle ergeben eine Abhängigkeit der Frau von ihrem Mann.
  • Hinsichtlich des Vertragsschlusses hält das KG fest, dass dieser zwar keine widerrechtliche Drohung i.S.d. § 123 I 2. Alt BGB des Mannes gegenüber seiner Frau vorangegangen war, dass aber nach Schilderungen der Frau, unterstützt durch den Eindruck des beurkundenden Notars, dennoch von keiner freien Willensentscheidung der Frau gesprochen werden kann.


Die sich aus diesen Umständen ergebene hilflose Lage der Frau hat ihr Mann ausgenutzt. Dieses Verhalten und das deutliche Einkommensgefälle führen im Ergebnis zur Sittenwidrigkeit des Ehevertrages.


Die Fortsetzung der Ehe bildet ebenso wenig wie eine kostenfreie Wohnraumgewährung eine Kompensation für den Verzicht des Versorgungsausgleichs, so das KG.


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LG München I: Kita-Kündigungsklausel unwirksam (03.11.2023)

Anmerkung zu LG München I, Urteil vom 31.10.2023 – 2 O 10468/22, Urteil noch nicht online

Pressemitteilung LG München I zu 2 O 10468/22, 31.10.2023

 

Eine Klausel in einem Kita-Betreuungsvertrag, die einseitig für die Erziehungsberechtigten das Recht zur ordentlichen Kündigung bis zum Beginn der Vertragslaufzeit ausschließt, ist, nach jüngster Entscheidung des LG München I, unwirksam.


Sachverhalt

Die Eltern schlossen mit einer Kita zwei Betreuungsverträge über die Aufnahme ihrer beiden Kinder. Eine Klausel in diesen Betreuungsverträgen schließt das Recht zur ordentlichen Kündigung für die Erziehungsberechtigen bis zum Beginn der Vertragslaufzeit aus. Allerdings hatten die Eltern die Verträge acht Monate vor dem vereinbarten Beginn der Betreuung gekündigt. Diese Kündigung wurde von den Betreibern der Kita mit Verweis auf die Klausel nicht akzeptiert. Weiterhin bestand die Tagesstätte auf Zahlung der jeweiligen Aufnahmegebühr sowie des Betreuungsgeldes, gleich, ob die betreffenden Kinder die Kita besuchen oder nicht, und begründete dies mit Planungssicherheit.

Die Eltern, deren Kinder die Tagesstätte zu keinem Zeitpunkt besucht hatten, klagten gegen die Kita auf Rückzahlung der eingezogenen Beträge.


Entscheidungsgründe

Das LG München gelang in der Sache zu seiner Entscheidung, dass die Verträge durch die Eltern ordentlich gekündigt wurden und sie daher die Beträge zurückverlangen können.

Die Klausel aus dem Betreuungsvertrag der Kita sei nicht mit dem Benachteiligungsverbot im AGB-Recht vereinbar. Durch die Klausel seien die Eltern unangemessen benachteiligt, was zur Unwirksamkeit dieser führt. Das LG München I stellt ebenfalls heraus, dass nicht nur die Kita, sondern auch die Eltern ein ebenso hohes, wenn nicht sogar höheres Planungsbedürfnis haben.

Im Rahmen seiner Gesamtabwägung weist das LG München I außerdem darauf hin, dass der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts dem Wortlaut nach selbst dann greife, wenn es der Kita gelänge, die frei gewordenen Plätze an andere Kinder zu vergeben, wodurch die Kita über vier Monate doppelte Bezahlung für den jeweiligen Platz erhielte.



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EuGH: Ausgleichsanspruch bei vorweggenommener Beförderungsverweigerung (27.10.2023)

Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 26.10.2023 – C-238/22, EuGH, Urteil vom 26.10.2023- C-238/22 - InfoCuria


Der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung des Fluggastes gegen eine Airline bleibt auch bestehen, wenn sich der Fluggast nicht zur Abfertigung eingefunden hat und die Airline diesen mindestens zwei Wochen vor der geplanten Abflugzeit über die Beförderungsverweigerung informiert hat, entschied der EuGH in seinem Urteil vom 26.10.2023.

 

Sachverhalt

Für ihren am Folgetag gebuchten Flug von Frankfurt a.M. nach Madrid wollte eine Passagierin online einchecken. Nachdem ihr dies nicht gelang, kontaktierte sie die Fluggesellschaft LATAM Airlines. Dabei erfuhr die Passagierin, dass ihr Flug durch die LATAM Airline auf den Vortag umgebucht wurde, ohne ihr dies mitzuteilen. Weiterhin wurde der zwei Wochen spätere Rückflug gesperrt, da sie den Hinflug nicht angetreten hatte. Die Passagierin forderte die LATAM Airlines wegen dieser Beförderungsverweigerung zu einer Ausgleichzahlung von pauschal 250 € auf.

 

Das von der Passagierin angerufene deutsche Gericht legte die Sache dem EuGH vor, um Fragen zur Auslegung der Fluggastrechteverordnung klären zu lassen.


Entscheidungsgründe

Fraglich war zum einen, ob der Fluggast sich zur Abfertigung einfinden muss, obwohl die Airline die Beförderung im Vorfeld verweigerte, um einen Anspruch auf die Ausgleichszahlung zu begründen.

In seinem Urteil entschied der EuGH nun, dass die Ausgleichzahlung wegen Nichtbeförderung bei einer vorweggenommenen Beförderungsverweigerung selbst dann zu leisten ist, wenn der betroffene Fluggast sich nicht zur Abfertigung eingefunden hat. Informiert die Airline den Fluggast im Voraus über die Verweigerung der Beförderung auf einem Flug, für den der Fluggast eine bestätigte Buchung hat, wäre die Bedingung, sich zur Abfertigung einzufinden, nämlich eine unnötige Formalität, entschied der EuGH.

 

Ebenfalls fraglich war, ob die Fluggesellschaft von der Ausgleichspflicht befreit werden kann, sofern sie den Fluggast rechtzeitig im Voraus, d.h. mindestens zwei Wochen vor der geplanten Abflugzeit, über die Beförderungsverweigerung informiert.

Der EuGH entschied, dass der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung selbst dann bestehen soll, wenn der Fluggast über die Beförderungsverweigerung mindestens zwei Wochen vor der geplanten Abflugzeit unterrichtet worden ist. Nach EuGH ist kein Grund ersichtlich, die Regelungen für Flugannulierungen, nach denen die Fluggesellschaft von ihrer Pflicht zur Ausgleichszahlung befreit würde, sofern sie ihre Fluggäste mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit über die Flugannulierung informierte, in Fällen der vorweggenommenen Beförderungsverweigerung anzuwenden.



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EuGH: Kein neues Widerrufsrecht nach kostenloser Testphase eines Abos (13.10.2023)

Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 05.10.203 - C-565/22, EuGH, Urteil vom 05.10.2023 - C-565/22 - InfoCuria


Viele Abos werben mit einer kostenlosen Testphase. Wird dieses nicht gekündigt, geht es häufig automatisch in ein kostenpflichtiges Abo über. Ob dem Verbraucher in solchen Fällen ein neues Widerrufsrecht zusteht, entschied der EuGH in seinem Urteil vom 05.10.2023. 


Ein Verbraucher hat nur ein einziges Mal das Recht ein im Fernabsatz abgeschlossenes Abo, das anfangs kostenlos ist und sich automatisch verlängert, zu widerrufen. Der Übergang von der kostenlosen in die kostenpflichtige Phase des Abos begründet kein neues Widerrufsrecht. Ausgenommen davon sind lediglich Fälle, in denen der Verbraucher bei Abschluss des Abos nicht hinreichend darüber informiert wurde, dass dieses nach einer kostenlosen Testphase kostenpflichtig wird, so der EuGH. 


Sachverhalt

Die Sofatutor GmbH betreibt eine Internet-Lernplattform für Schüler der Primär- und Sekundärstufen in Österreich. Ein Abonnement kann zunächst 30 Tage kostenlos getestet und in dieser Phase jederzeit fristlos gekündigt werden. Nach dieser Testphase wird das Abo kostenpflichtig und verlängert sich nach einem gewissen Zeitraum erneut automatisch, soweit keine Kündigung des Abos erfolgt. So hält es die Sofatutor GmbH in seinen, den Abo-Verträgen zugrundeliegenden, AGB fest. Ferner informiert das Unternehmen die Verbraucher beim Vertragsschluss im Fernabsatz auch über ihr Widerrufsrecht.


Nach Ansicht des Vereins für Konsumenteninformation (VKI), soll dem Verbraucher nicht nur durch den Abschluss der kostenlosen 30 tägigen Abo-Testphase, sondern auch aufgrund der Umwandlung in ein kostenpflichtiges Abo ein Widerrufsrecht zustehen. Der VKI wendet sich daher gegen die AGB der Sofatutor GmbH.

Mit diesem Rechtsstreit befasste sich der Oberste Gerichtshof (Österreich) und hat die Sache nun dem EuGH zur Auslegung der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher vorgelegt.


Aus Art. 9 I dieser Richtlinie steht dem Verbraucher zu, einen Fernabsatzvertrag innerhalb von 14 Tagen nach dessen Abschluss ohne Angabe von Gründen zu widerrufen. Dafür muss der Verbraucher den Unternehmer innerhalb dieser Frist über seinen Entschluss zu widerrufen, informieren. Der EuGH legt den Art. 9 I der Richtlinie dahingehend aus, dass: „dem Verbraucher das Recht, einen Fernabsatzvertrag zu widerrufen, bei einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen, der für den Verbraucher anfangs einen kostenlosen Zeitraum vorsieht, dem sich – falls der Verbraucher den Vertrag in diesem Zeitraum nicht kündigt oder widerruft – ein kostenpflichtiger Zeitraum anschließt, der sich, wenn dieser Vertrag nicht gekündigt wird, automatisch um einen bestimmten Zeitraum verlängert, nur ein einziges Mal zukommt, sofern er beim Abschluss dieses Vertrags vom Unternehmer in klarer, verständlicher und ausdrücklicher Weise darüber informiert wird, dass die Erbringung dieser Dienstleistung nach dem anfänglich kostenlosen Zeitraum kostenpflichtig wird.“


Entscheidungsgründe

Das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen ermöglicht dem Verbraucher die Ware bzw. Dienstleistung zu testen und räumt ihm eine Bedenkzeit hinsichtlich des Vertrages ein. Daher steht dem Verbraucher nach Entscheidung des EuGH kein erneutes Widerrufsrechts bei Übergang von kostenloser in kostenpflichtige Phase zu. Wurde der Verbraucher bei Abschluss des Fernabsatzvertrages allerdings nicht klar, verständlich und ausdrücklich durch den Unternehmer über die, nach kostenloser Testphase eintretende, Kostenpflichtigkeit unterrichtet, steht ihm nach EuGH ein erneutes Widerrufsrecht zu. 

 


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EuGH: Widerruf ohne Wertersatzpflicht (09.08.2023)

Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 17.05.2023 - C-97/22, EuGH, Urteil vom 17.05.2023 - C‑97/22 - openJur


Sachverhalt

Im Oktober 2020 beauftragte ein Verbraucher einen Unternehmer mündlich mit der Erneuerung der Elektroinstallation seines Hauses. Dabei belehrte der Unternehmer nicht über das dem Verbraucher gesetzlich zustehende Widerrufsrecht. In der Folge wurde die vereinbarte Leistung durch den Unternehmer vertragsgemäß erbracht. Am 21.12.2020 stellte er eine Schlussrechnung. Der Verbraucher widerrief am 17.03.2021 den Vertrag. Den Zahlungsanspruch hatte der Unternehmer zwischenzeitlich abgetreten. Der neue Gläubiger erhob sodann Klage vor dem LG Essen auf Zahlung der Rechnung.


Er berief sich darauf, dass ein vollständiger Ausschluss der Gegenleistungspflicht lediglich wegen einer unterbliebenen Widerrufsbelehrung eine unverhältnismäßige Sanktion darstelle. Der Verbraucher hingegen war der Meinung, er sei aufgrund seines Widerrufes zu keiner Zahlungsleistung mehr verpflichtet.


Das LG Essen legte dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens die Frage vor, ob die Bestimmung des Art. 14 Abs. 5 der Verbraucherrechte-Richtlinie (RL 2011/83/EU) jegliche Ansprüche des Unternehmers nach erfolgtem Widerruf des Verbrauchers ausschließe.

 

Entscheidungsgründe

Der EuGH urteilte, dass der Anspruchsausschluss des Art. 14 Abs. 5 der Verbraucherrechte-Richtlinie zu Gunsten des Verbrauchers grundsätzlich alle Ansprüche im Zusammenhang mit einem wirksamen Widerruf eines Vertrages erfasst.

Die vorvertraglichen Informationen über das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen sei für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung. Sie erlaube ihm, die Entscheidung, ob er den Vertrag schließen möchte oder nicht, in Kenntnis der Sach- und Rechtslage abschließend zu beurteilen.

Dem folgend sei ein Verbraucher von jeder Verpflichtung befreit, wenn der Unternehmer vor Abschluss eines Vertrages außerhalb von Geschäftsräumen im Sinne von Art. 2 Nr. 8 der Verbraucherrechte-Richtlinie es unterlassen hat, den Verbraucher über die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. h oder j ebenjener Richtlinie genannten Informationen zu belehren und der Verbraucher schließlich sein Widerrufsrecht ausübt. Insbesondere sei der Verbraucher nicht dazu verpflichtet, dem Unternehmer den Preis für etwaige bereits erbrachten Dienstleistungen zu zahlen.

 

 

Auswirkungen auf Praxis

Die Entscheidung des EuGH dürfte erhebliche praktische Auswirkungen haben. Insbesondere niedergelassene Handwerksbetriebe dürften in doppelter Hinsicht belastet sein. Für die in jüngerer Vergangenheit geschlossenen Verträge dürfte sich ein durchaus beträchtliches Prozessrisiko ergeben, sollten diese bereits erfüllt sein und künftig vom Verbraucher ordnungsgemäß widerrufen werden. Für die Zukunft bedeutet die Rechtsprechung einen deutlichen Mehraufwand, da nun ein großes Augenmerk auf eine ordnungsgemäße Belehrung gelegt werden sollte, um so einem möglichen totalen Zahlungsausfall entgegenzuwirken.

In der Praxis dürften eine Vielzahl der von der Rechtsprechung erfassten Verträge, seien es Werkverträge gemäß § 631 BGB oder Bauverträge gemäß § 650a BGB, mündlich und auch in den Räumlichkeiten, in denen die spätere Leistung erbracht werden soll, abgeschlossen werden. Im Hinblick auf die weitreichende Rechtsprechung des BGH, wann ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag vorliegt (vgl. etwa BGH Urt. v. 30.8.2018 – VII ZR 243/17, Rn. 18), ist mit einer gewissen Regelmäßigkeit von einem widerrufbaren Vertrag auszugehen.

Aus diesem Grund ist der Verbraucher zukünftig vor Abschluss des Vertrages durch den Unternehmer zum einen darüber zu belehren, dass ein Widerrufsrecht besteht. Ebenfalls sollte er darüber belehrt werden, dass grundsätzlich erst nach Ablauf der Widerrufsfrist mit der Ausführung der vertraglichen Leistungen begonnen wird. Zu Beweiszwecken sollte eine solche Belehrung schriftlich festgehalten werden.


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Aktueller Beitrag in der IMR unseres Partners RA Klaus Modigell, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht (05.04.2023)

Sonderumlage trotz fehlerhaften Verteilungsschlüssels wirksam?


1. Beschlüsse über die Festsetzung von Vorschüssen sind mit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes vom 16.10.2020 allein am Maßstab der ordnungsgemäßen Verwaltung zu messen. Dies gilt auch für Sonderumlagebeschlüsse.
2. Der Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage genügt auch dann noch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die Höhe der Beträge für einzelne Wohnungseigentümer wegen des Ansatzes eines möglicherweise fehlerhaften Verteilungsschlüssels geringfügig höher oder niedriger ausfällt als bei Ansatz eines zutreffenden Verteilungsschlüssels. Dies gilt insbesondere, wenn die Zuordnung voraussichtlich entstehender Kosten nicht ohne Weiteres möglich und der anzuwendende Kostenverteilungsschüssel aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen zwischen den beteiligten Wohnungseigentümern im Streit steht.

LG Berlin, Urteil vom 31.01.2023 - 55 S 28/22


WEG § 14 Abs. 3, § 19 Abs. 1, § 28 Abs. 1


Der vollständige Beitrag ist zu lesen unter ibr-online: Neue Beiträge.


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 Widerrufsjoker - Kein Ass mehr im Ärmel? (17.02.2023)

Der Bundesgerichtshof hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem Versicherungsnehmer unrichtig über die Form ihrer Widerspruchserklärung informiert worden waren.


Der BGH urteilte, dass der von den Versicherungsnehmern darauf geltend gemachte Bereicherungsanspruch wegen rechtsmissbräuchlicher Ausübung des Widerspruchsrechts ausgeschlossen sei, weil den Versicherungsnehmern durch den im Streitfall geringfügigen Belehrungsfehler nicht die Möglichkeit genommen worden wäre, ihr Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben.


In dem Fall, war den Versicherungsnehmern die unrichtige Information über ein Recht zum schriftlichen Widerspruch erteilt worden, obwohl bereits ein Widerspruch in Textform genügte hätte.



Damit gilt: Der Widerrufsjoker kann nach wie vor eine wirtschaftlich potente Option bieten. Mit der nunmehr ergangenen Entscheidung ist die Option aber risikobehafteter. Der Versicherungsnehmer sollte daher genau prüfen, auf welche Grundlage er seinen Widerruf stützt!


BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 – IV ZR 353/21.




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Google Fonts: Das Geschäft mit den Abmahnungen (10.11.2022)

Abmahnwellen sind en vouge. Seit kurzem sind Unternehmen massenhaft von Google Fonts Abmahnungen betroffen, in der Regel mit dem Verweis, dass ein weiteres Vorgehen gegen die kurzfristige Zahlung von EUR 170,00 eingestellt werde.


Der Vorwurf: Die dynamische Einbindung von Google Fonts von den Google Servern verletze die Internetseiten-Besucher in ihren Persönlichkeitsrechten, da Google durch das Einbetten der Schriftarten die IP Adresse des jeweiligen Nutzers erfahre, was eine Verarbeitung personenbezogener Daten darstelle.


Das LG München sah in der dynamischen Einbindung von US-Webdiensten in eine Internetseite (hier: Google Fonts) eine Verarbeitung, die nicht zwingend notwendig sei und deshalb die vorherige Einwilligung des Seitenbesuchers erfordere. Da diese nicht vorlag, verurteilte es den Webseitenbetreiber zu Unterlassung und Schadensersatz (Urteil vom 20.01.2022, Az. 3 O 17493/20).


Das Urteil versuchen sich Akteure jetzt wirtschaftlich zu Nutze und durch die Abmahnschreiben „schnelles Geld“ auf Kosten argloser Unternehmer zu machen. Bei den Masseverfahren gibt es dabei Indizien für einen Rechtsmissbrauch. Betroffene sollten daher vor Zahlung zunächst den Kontakt zu Ihrem Anwalt suchen!



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Stellenangebot: Rechtsanwaltsfachangestellte/-r (m/w/d) gesucht (20.10.2022)

Wir suchen vorzugsweise zum 01.01.2023 eine/-n Rechtsanwaltsfachangestellte/-n (m/w/d). Das Einstiegsdatum kann flexibel vereinbart werden. Auch bieten wir die Möglichkeit einer Teilzeitstelle.


Sie unterstützen unser Team in allen Bereichen der anwaltlichen Tätigkeit und Sie übernehmen vielfältige Büro- und Verwaltungsaufgaben mit Blick auf die Kanzleiorganisation. Teil Ihrer Aufgaben ist unter anderem die Erstellung von Schriftsätzen, die sorgfältige und verantwortungsvolle Aktenführung, die Berechnung und Überwachung von Fristen sowie die Erstellung von Honorarabrechnungen und der Empfang von Mandanten.


Wir legen großen Wert auf eine dauerhafte Zusammenarbeit und suchen ein langfristiges Teammitglied! Wir bieten Ihnen ein freundliches und familiäres Arbeitsumfeld mit einem abwechslungsreichen Alltag. Sie erwartet ein junges Team, das sich über Ihre Unterstützung und eine Bereicherung unserer gesamten Kanzlei durch eine/-n engagierte/-n und motivierte/-n Mitarbeiter/-in freut. Darüber hinaus bieten wir Ihnen vielfältige Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung, im Rahmen dessen wir Sie gerne unterstützen. 

 

Wir bieten Ihnen:

  • Ein familiäres, freundliches Team, zeitweilig mit Bürohund
  • Ein schönes Arbeitsumfeld im Kölner Süden mit großem Garten für eine gemütliche Mittagspause
  • Ein Überdurchschnittliches Gehalt
  • Die Möglichkeit eines Jobtickets
  • Großzügige Urlaubsregelungen
  • Regelmäßige Team-Events, u.a. wöchentliches, gemeinsames Mittagessen
  • Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten auf Wunsch

 

Ihr Profil:

  • Sie haben eine abgeschlossene Berufsausbildung als Rechtsanwaltsfachangestellte (m/w/d)
  • Sie verfügen über sehr gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift
  • Sie sind sicher im Umgang mit den Anwendungen von MS-Office
  • Sie zeichnet Zuverlässigkeit, Lernbereitschaft, Teamfähigkeit sowie ein hohes Maß an Sorgfalt und Genauigkeit aus
  • Sie verfügen über Eigenengagement und ein Interesse an rechtlichen Themen
  • Sie verfügen über ein sicheres und höfliches Auftreten

 

Ein Einstieg in unser Team ist zeitlich flexibel, vorzugsweise ab dem 01.01.2023.

 

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann freuen wir uns über Ihre aussagekräftige Bewerbung per E-Mail an vlv@vlv-partner.de.  


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Aktueller Beitrag in der IMR unseres Partners RA Klaus Modigell, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht (29.08.2022)

Unbedingtes Festhalten des Eigentümers an den Vereinbarungen der WEG?


Nach § 10 Abs. 2 WEG kann jeder Eigentümer eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwer wiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.

AG Konstanz, Urteil vom 18.07.2022 - 4 C 165/21 (nicht rechtskräftig).


WEG § 1 Abs.1, § 10 Abs. 2


Der vollständige Beitrag ist zu lesen unter ibr-online: Neue Beiträge.


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BGH: Die Mindestsätze der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) sind zwischen Privatpersonen weiterhin anwendbar (20.07.2022)

Anmerkung zu BGH, Urteil vom 02.06.2022 - VII ZR 174/19 (OLG Hamm), BGH Pressemitteilung Nr. 082/2022


Der klagende Ingenieur verlangte vom beklagten Bauherrn die restliche Zahlung für die von ihm erbrachten Ingenieurleistungen, nachdem der Kläger den im Jahr 2016 geschlossenen Vertrag im Jahr 2017 gekündigt hatte. Die erbrachten Leistungen rechnete der Kläger in seiner Schlussrechnung nicht nach dem vereinbarten Pauschalhonorar ab, sondern auf Grundlage der Mindestsätze der HOAI in der Fassung aus dem Jahr 2013.

 

Sowohl das erstinstanzliche Landgericht Essen, als auch das Oberlandesgericht Hamm als Berufungsgericht hatten den Beklagten zur Zahlung verurteilt. Der BGH hat diese Entscheidung nunmehr mit Urteil vom 02.06.2022 bestätigt. Der Beklagte berief sich mit seinem Klageabweisungsantrag auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 04.07.2019 (C-377/17). Der EuGH hatte im Rahmen eines gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Vertragsverletzungsverfahrens entschieden, dass die nationalen Regelungen in § 7 der HOAI, wonach die nach der HOAI statuierten Mindestsätze der Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren verbindlich sind, gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG vom 12.12.2006 verstoße. Daraufhin war Streit darüber entstanden, ob § 7 der HOAI, wonach eine die Mindestsätze unterschreitende Honorarvereinbarung unwirksam ist, nicht mehr anzuwenden ist.


Der BGH hat ausgeführt, dass das nationale Recht nach § 7 HOAI und damit die Mindestsätze unbeschadet des Urteils des EuGH Anwendung finden. Die Geltendmachung dieses Anspruchs sei auch nicht treuwidrig i.S.v. § 242 BGB, weil die nationale Rechtsvorschrift, auf die sich der Anspruch stützt, gegen eine EU-Richtlinie verstoße. Eine Partei könne sich grundsätzlich so lange auf eine nationale Rechtsvorschrift berufen, wie diese Gültigkeit habe und zwischen den Parteien Anwendung findet. Auch eine richtlinienkonforme Auslegung von § 7 HOAI könne nicht dazu führen, dass die Mindestsätze der HOAI zwischen Privatpersonen generell keine Wirkung mehr entfalten.


Der EuGH hatte bereits mit Urteil vom 18.01.2022 (C-261/20) ausgeführt, dass die nationalen Gerichte nicht allein aufgrund eines Vertragsverletzungsverfahrens bzw. einem dort ergangenen Urteil verpflichtet sind, die nationalen Gesetze, die gegen eine Richtlinie verstoßen, nicht mehr anzuwenden. In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Architekten und Ingenieure die Mindestsätze der HOAI in der Fassung aus dem Jahr 2013 trotz des durch den EuGH festgestellten Richtlinienverstoßes weiterhin geltend machen können. 


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Auszubildende/-n (m/w/d) als Rechtsanwaltsfachangestellte/-n gesucht (05.05.2022)

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Stellenanzeige zum Download: Hier

 

Wir suchen zum 01.08.2022 eine/-n Auszubildende/-n (m/w/d) für den Ausbildungsberuf Rechtsanwaltsfachangestellte (m/w/d).


Während Ihrer Ausbildung unterstützen Sie unser Team in allen Bereichen der anwaltlichen Tätigkeit und Sie übernehmen vielfältige Büro- und Verwaltungsaufgaben mit Blick auf die Kanzleiorganisation. Teil Ihrer Aufgaben ist unter anderem die Erstellung von Schriftsätzen, die sorgfältige und verantwortungsvolle Aktenführung, die Berechnung und Überwachung von Fristen sowie die Erstellung von Honorarabrechnungen und der Empfang von Mandanten.

 

Wir legen großen Wert auf eine dauerhafte Zusammenarbeit und suchen ein langfristiges Teammitglied! Wir bieten Ihnen ein freundliches und familiäres Arbeitsumfeld mit einem abwechslungsreichen Alltag. Sie erwartet ein junges Team, das sich über Ihre Unterstützung und eine Bereicherung unserer gesamten Kanzlei durch eine/-n engagierte/-n und motivierte/-n Auszubildende/-n freut.  

 

Ihr Profil:

 

  • Sie haben einen guten Schulabschluss, idealer Weise Abitur, Fachabitur oder Mittlere Reife
  • Sie verfügen über sehr gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift
  • Sie sind sicher im Umgang mit den Anwendungen von MS-Office
  • Sie zeichnet Zuverlässigkeit, Lernbereitschaft, Teamfähigkeit sowie ein hohes Maß an Sorgfalt und Genauigkeit
  • Sie verfügen über Eigenengagement und ein Interesse an rechtlichen Themen
  • Sie verfügen über ein sicheres und höfliches Auftreten

 

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann freuen wir uns über Ihre aussagekräftige Bewerbung per E-Mail an vlv@vlv-partner.de


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BGH: Anspruch auf Rückzahlung der Mitgliedsbeiträge bei coronabedingter Schließung eines Fitnessstudios (04.05.2022)

Anmerkung zu BGH, Urteil vom 04.05.2022 - XII ZR 64/21 (OLG Brandenburg), BGH Pressemitteilung Nr. 056/2022

 

Der Kläger schloss mit dem beklagten Fitnessstudio im Mai 2019 eine Mitgliedschaft über 24 Monate ab. Der monatliche Mitgliedsbeitrag in Höhe von EUR 29,90 wurde im Lastschriftverfahren seitens des Fitnessstudios eingezogen. In der Zeit vom 16.03.2020 bis zum 04.06.2020 war das Fitnessstudio aufgrund behördlicher Anordnung in Folge der Corona-Pandemie geschlossen. Für diesen Zeitraum forderte der Kläger die Rückzahlung seiner monatlichen Mitgliedsbeiträge oder zumindest die Ausstellung entsprechender Wertgutscheine. Beides lehnte das Fitnessstudio ab.

 

Die Gerichte waren sich in diesem Fall einig: Sowohl das erstinstanzliche Amtsgericht, als auch das für die Berufung zuständige Landgericht verurteilten das Fitnessstudio zur Rückzahlung der Monatsbeiträge. Diese Entscheidung wurde nunmehr am 04.05.2022 auch vom BGH bestätigt. Der Rückzahlungsanspruch folgt laut dem BGH aus §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist ein Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, wenn die Leistungserbringung unmöglich ist. Dies war vorliegend der Fall, da das Fitnessstudio aufgrund der behördlichen Schließung nicht öffnen konnte und es daher unmöglich war, die durch das Fitnessstudio vertraglich geschuldete Nutzung den Mitgliedern zur Verfügung zu stellen. Die Nutzung sei auch nicht nur vorübergehend unmöglich gewesen, da eine mehrmonatige, feste Vertragslaufzeit vereinbart war und Zweck eines Fitnessstudios gerade die regelmäßige, monatliche sportliche Betätigung sei.


Ein Anspruch auf Vertragsanpassung des Fitnessstudiobetreibers gemäß § 313 BGB stünde dem im Übrigen nicht entgegen, da dem die spezialgesetzliche Regelung des Art. 240 § 5 EGBGB vorginge. Diese im Rahmen der Pandemie neu geschaffene Vorschrift beinhaltet die sogenannte „Gutscheinlösung“ und sollte für Veranstaltungsverträge, die vor dem 08.03.2020 abgeschlossen wurden, eine Regelung für solche Veranstaltungen schaffen, die aufgrund der Pandemie nicht stattfinden können und entsprechend eine Existenzbedrohung der Unternehmen verhindern, die sich zahlreichen Rückforderungsansprüchen ausgesetzt sahen.


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BGH: Weder Entschädigungs- noch Schadensersatzansprüche für coronabedingte flächendeckende Betriebsschließungen im Frühjahr 2020 (17.03.2022)

Anmerkung zu BGH, Urteil vom 17.03.2022 - XII ZR 79/21 (OLG Brandenburg), BGH Pressemitteilung Nr. 033/2022

 

Ein Hotel- und Gastronomiebetrieb war in dem Zeitraum vom 23.03.2020 bis zum 07.04.2020 aufgrund behördlicher Anordnung des Landes Brandenburg coronabedingt geschlossen worden. Der Inhaber bot einen Außerhausverkauf der Gastronomiespeisen an, dem Hotel war es untersagt, Personen zu touristischen Zwecken zu beherbergen. Im Rahmen des staatlichen Soforthilfeprogramms erhielt der Inhaber 60.000,00 € an Corona-Soforthilfen. Der Inhaber klagte gegen das Land, ihn darüber hinaus aufgrund der erlittenen Umsatz- und Gewinneinbußen (Verdienstausfall, nicht gedeckte Betriebskosten, Arbeitsgeberbeträge) finanziell zu entschädigen.

 

Sowohl das erstinstanzliche Landgericht Potsdam (Az. 4 O 146/20), als auch das für die Berufung zuständige Brandenburgische Oberlandesgericht (Az. 2 U 13/21) hatten die Klage abgewiesen. Nunmehr blieb auch die Revision vor dem BGH ohne Erfolg. Mit Datum vom 17.03.2022 hat der BGH entschieden, dass ein Entschädigungsanspruch weder aus § 56 Abs. 1 IfSG, noch aus § 65 Abs.1 IfSG folge. Zum einen sei der Kläger nicht gezielt personenbezogen in Anspruch genommen worden, sondern vielmehr hätten sich die angeordneten Verbote an eine Vielzahl unbestimmter Personen gerichtet, sodass § 56 Abs. 1 IfSG bereits aus diesem Grund nicht einschlägig sei. § 65 Abs. 1 IfSG hingegen sei dem Wortlaut nach dann anwendbar, wenn Maßnahmen „zur Verhütung“ übertragbarer Krankheiten getroffen werden würden. Im vorliegenden Fall hatte sich jedoch im Zeitpunkt des Erlasses der Coronaschutzverordnung die Krankheit COVID-19 bereits flächendeckend ausgebreitet, sodass es sich bei den behördlichen Schließungen bereits um konkrete Bekämpfungsmaßnahmen gehandelt hatte und nicht um Maßnahmen zur Verhütung.


Auch scheide eine analoge Anwendung der beiden Vorschriften laut BGH aus, da es gerade Regelungszweck des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) sei, Entschädigungen auf konkrete Fälle punktuell zu begrenzen, wenn die individuelle Inanspruchnahme eines konkreten Störers erfolgt ist. Laut dem Senat stünde es in einem offenen Widerspruch zum Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Entschädigung, wenn die Gerichte im Zusammenhang mit einer Pandemiebekämpfung massenhafte und großvolumige Entschädigungen zuerkennen würden. Hilfeleistungen für von einer Pandemie schwer getroffene Wirtschaftsbereiche seien Ausprägungen des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) und keine Aufgabe der Staatshaftung. 


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BGH bestätigt Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Absage einer Hochzeitsfeier (10.03.2022)

Anmerkung zu BGH, Urteil vom 02.03.2022 - XII ZR 36/21 (LG Essen), BGH Pressemitteilung Nr. 029/2022

 

Ein Paar hatte im Jahr 2019 eine Hochzeitslocation für ihre im Mai 2020 geplante Hochzeit angemietet. Die vereinbarte Miete hatte das Paar bereits in voller Höhe gezahlt. Die Hochzeitsfeier konnte zu dem geplanten Termin nicht stattfinden, sondern musste aufgrund der in NRW zum damaligen Zeitpunkt geltenden Coronaschutzverordnung, welche Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen untersagte, abgesagt werden. Der Vermieter bot unter Angabe diverser Ersatztermine an, die Feier zu verschieben. Das Paar hingegen erklärte den Rücktritt vom Vertrag und verlangte die Rückzahlung der vollständigen Miete.

 

Die Klage des Paares blieb ohne Erfolg. Mit Datum vom 02.03.2022 hat der BGH letztinstanzlich entschieden, dass ein Rückzahlungsanspruch des Paares nicht besteht. Zur Begründung führte der BGH aus, dass die Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie im rechtlichen Sinne nicht zu einer Unmöglichkeit i.S.d. § 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB führten. Vertragsgegenstand sei die Überlassung der Mieträumlichkeiten, welches dem Vermieter trotz der coronabedingten Einschränkungen möglich gewesen sei. Der vereinbarte Mietzweck und somit die Nutzung und Überlassung der Mieträumlichkeiten war nicht behördlich untersagt, damit lag kein zum Rücktritt (§ 326 Abs. 5 BGB) oder zur außerordentlichen Kündigung (§ 543 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB) berechtigenden Mangel der Mietsache vor.

 

Auch sah der BGH im vorliegenden Fall keinen Raum für die Anpassung des Vertrages nach dem Grundsatz der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) derart, dass ein Rückzahlungsanspruch des Paares hieraus folgen würde. Eine Abwägung beider Interessen hätten im Einzelfall vielmehr dazu geführt, dass eine Verlegung der Hochzeitsfeier zumutbar sei und eine „interessengerechte Verteilung des Pandemierisikos“ darstelle.

 

Praxisempfehlung:

Die Entscheidung des BGH zeigt einmal mehr, dass hinsichtlich der unvorhergesehenen, behördlichen Schließungen genau differenziert werden muss: Auch wenn die Hochzeitsfeier de facto nicht mit 70 Gästen hätte durchgeführt werden können, so war dies nicht Gegenstand des Mietvertrages. Dieser betrifft nur die Überlassung der Mietsache. Praktisch etwas anfangen kann der Mieter mit der Location zu dem Zeitpunkt mutmaßlich wenig, sodass es mit Blick auf eine angemessene Risikoverteilung dringend zu empfehlen ist, den Vertrag anzupassen und das betreffende Event zu verschieben. Entscheidet sich das Paar dazu, die Hochzeit nicht mehr nachholen zu wollen und auf die Feier endgültig zu verzichten, so fällt diese Entscheidung allein in seinen Risikobereich. Ein Rückzahlungsanspruch wird auch dann nicht bestehen. 



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Auszubildende/-n (m/w/d) als Rechtsanwaltsfachangestellte/-n gesucht (23.02.2022)

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Wir suchen zum 01.08.2022 eine/-n Auszubildende/-n (m/w/d) für den Ausbildungsberuf Rechtsanwaltsfachangestellte (m/w/d).


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Ihr Profil:

 

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BGH bestätigt grundsätzlichen Anspruch auf Reduzierung der Gewerbemiete (30.01.2022)

Anmerkung zu BGH, Urteil vom 12.01.2022 - XII ZR 8/21 (OLG Dresden), BeckRS 2022, 48.

 

Mieter und Pächter einer Gewerbeimmobilie können sich berechtigte Hoffnung machen, für den Zeitraum der wegen der Corona-Pandemie behördlich angeordneten Schließung eines gewerblichen Einzelhandels einen Anspruch gegen ihre Vermieter und Verpächter auf Anpassung der Miete zu haben. Dies hat nun der siebte Zivilsenat des Bundesgerichtshofes mit Urteil vom 12.01.2022 (Az. XII ZR 8/21) bestätigt.

 

Gemäß § 313 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei eine Anpassung des Vertrags verlangen, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag gar nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Diese Voraussetzungen könnten im Einzelfall vorliegen, so der Bundesgerichtshof in seinem Urteil eines auf Mietrückstande klagenden Vermieters gegen eine bekannte Textilwarenkette, die sich weigerte, die Miete zu zahlen. Dabei stellt der Bundesgerichtshof allerdings fest, dass eine Anpassung nur insoweit verlangt werden kann, als dass der Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Demnach bedarf es in jedem Einzelfall einer konkreten Abwägung, sodass eine pauschale Berechtigung zur Anpassung der Miete oder Pacht nicht angenommen werden kann.

 

Bei der vorzunehmenden Einzelfallabwägung ist insbesondere von Bedeutung, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind. Diese werden bei einem gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung bestehen, wobei jedoch nur auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz abzustellen ist. Zu berücksichtigen kann auch sein, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu mindern. Da eine Anpassung nicht zu einer Überkompensation der entstandenen Verluste führen darf, sind grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter und Pächter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich dieser pandemiebedingten Nachteile erlangt hat. In zweiter Instanz hatte das Oberlandesgericht Dresden in seinem Urteil vom 24.02.2021 noch gegenteilig entschieden und den Mieter zur Zahlung der rückständigen Miete verurteilt. Diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof nun aufgehoben und zur Neuverhandlung an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwiesen.


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BGH hat entschieden: Nachbar darf überhängende Äste abschneiden (12.06.2021)

Anmerkung zu BGH, Urteil vom 11.06.2021 – V ZR 234/19 –, juris 

 

Entgegen der Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte (so auch OLG Köln, 4. Zivilsenat, 12.07.2011, I-4 U 18/10) hat der BGH in dieser Woche entschieden, dass der Nachbar überhängende Äste nicht dulden muss und er diese bei Vorliegen einer Beeinträchtigung, beispielsweise durch erhöhten Nadel- und Zapfenbefall, abschneiden darf. Voraussetzung ist, dass der Nachbar dem Grundstückseigentümer, auf dem der Baum steht, erfolglos eine Frist zur Beseitigung gesetzt hat. Im vorliegenden Fall hatte ein Grundstückseigentümer gegen seinen Nachbarn geklagt, der den Überhang seiner rund 15 m hohe Schwarzkiefer beseitigt hatte.


Das Selbsthilferecht gemäß § 910 Abs. 1 BGB greift laut der Entscheidung des BGH selbst dann, wenn der betreffende Baum durch die Beschneidungen droht Schaden zu nehmen. Das Selbsthilferecht ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil durch die Beseitigung des Überhangs das Absterben des Baums oder der Verlust der Standfestigkeit droht.


Der Überhang bestand im vorliegenden Fall bereits seit 20 Jahren. Trotzdem sei das Recht des Nachbarn weder verjährt, noch verwirkt, so der BGH. Da das Selbsthilferecht aus § 910 BGB kein Anspruch sei, unterliege es nicht der Verjährung. Ein Vertrauenstatbestand, dass der Nachbar gegen den Überhang nicht vorgeht, werde durch bloßen Zeitablauf nicht geschaffen. 


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Corona-bedingte Schließung als Mietmangel? (17.12.2020)

Seit dem ersten bundesweiten Lockdown in Deutschland aufgrund der Corona-Pandemie im April dieses Jahres standen zahlreiche von den Schließungen betroffene Gewerbemieter vor der Frage, ob sie aufgrund der behördlichen Anordnung zur Schließung überhaupt weiterhin zur Leistung der Mietzahlung verpflichtet sind. Das Thema gewinnt nunmehr aktuell wieder extrem an Relevanz, da seit dem 16.12.2020 ein erneuter bundesweiter Lockdown durch die Bundesregierung beschlossen wurde. Der große Unterschied zum ersten Lockdown besteht jedoch darin, dass zwischenzeitlich einige erstinstanzliche Urteile zu dieser Frage ergangen sind. 


Teilweise stellten die Mieter im April 2020 ihre Mietzahlungen mit der Begründung ein, dass die Betriebsschließung nicht in ihre Risikosphäre falle. Gleiches Argument führten jedoch ebenso die Vermieter an, die sich gleichermaßen auf höhere Gewalt beriefen. In der Folge reichten zahlreiche Vermieter Klage gegen ihre Mieter auf Zahlung der noch ausstehenden Miete ein. 


Wie hat sich die Rechtsprechung in den vergangenen Monaten zu der Frage der Mietzahlungspflicht positioniert? 


1. LG Heidelberg: Corona-bedingte Schließung stellt keinen Mietmangel dar

Die weit überwiegende Meinung in der Rechtsprechung zeichnet sich inzwischen ab – Corona-bedingte Schließungen stellen keinen Mietmangel gemäß § 536 BGB dar, sodass sich in der Folge die Miete nicht kraft Gesetz entsprechend § 536 Abs. 1 BGB mindert oder gar auf null reduziert. Die erste Entscheidung fällte diesbezüglich das Landgericht Heidelberg mit Urteil vom 30.07.2020 (LG Heidelberg Urt. v. 30.7.2020 – 5 O 66/20, BeckRS 2020, 19165, beck-online). Das Landgericht Heidelberg gestand zwar zu, dass auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse, wie etwa die behördliche Anordnung zur Schließung, grundsätzlich einen Sachmangel darstellen können; dies gilt jedoch nur, wenn die hoheitliche Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der konkreten Mietsache in Zusammenhang stehen. Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen, fallen in dessen eigenen Risikobereich. 


Die Schließungen aufgrund der weltweiten Pandemie dienen dem Schutz der Bevölkerung vor gesundheitlichen Gefahren und knüpfen damit nicht an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache an, sondern allein an den generellen Betrieb des jeweiligen Mieters und dass in den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfindet, welcher Infektionen begünstigt. Daher liegt kein Mietmangel vor. 


2. Corona-bedingte Schließung ist kein Fall der Unmöglichkeit

Auch liegt bei einer corona-bedingten Betriebsschließung nach Auffassung des Landgerichts Heidelberg (LG Heidelberg Urt. v. 30.7.2020 – 5 O 66/20, BeckRS 2020, 19165, beck-online) kein Fall der Unmöglichkeit i.S.v. § 275 BGB vor, bei welcher entsprechend § 326 Abs. 1 S. 1 BGB die Mietzahlungspflicht als Gegenleistung entfallen würde. Denn Hauptleistungspflicht des Vermieters ist es, den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache zu ermöglichen. Daher können allenfalls solche Störungen zu einer Unmöglichkeit führen, die in der Beschaffenheit, der Lage oder dem Zustand der Mietsache begründet sind. 


3. Kein Wegfall der Geschäftsgrundlage  

Zwar räumt das Landgericht Heidelberg ein, dass die Schließungsanordnung grundsätzlich als eine Störung der Geschäftsgrundlage angesehen werden könne; allerdings führe dies nicht zu einer Aufhebung der Mietzahlungspflicht im Wege einer Vertragsanpassung zugunsten des Mieters. Eine solche Anpassung hat stets unter Abwägung beider Interessen zu erfolgen, sodass eine vertragliche Risikoverteilung zwischen Mieter und Vermieter zumutbar ist. In Folge einer solchen Abwägung ist es nach Ansicht des Gerichts dem Mieter zumutbar, an der vertraglichen Mietzahlungspflicht festzuhalten. 


Jüngste Rechtsprechung schließt sich dem LG Heidelberg an

Mittlerweile hat sich der weit überwiegende Teil der Rechtsprechung durch einige kürzlich ergangene Entscheidungen dem Urteil des Landgerichts Heidelberg angeschlossen. So lehnte das LG Zweibrücken am 11.09.2020 mit derselben Begründung das Vorliegen eines Mietmangels ab (LG Zweibrücken Urt. v. 11.9.2020 – 17/20, BeckRS 2020, 24356, beck-online). Ein Fall der Unmöglichkeit scheide ebenfalls aus, da das Verwendungsrisiko beim Mieter liege. Eine Vertragsanpassung wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage würde allenfalls bei einer nachhaltigen Existenzgefährdung des Mieters in Betracht kommen, welches bei lediglich kurzer, vorübergehender Schließung nicht der Fall sei. 


Zu den gleichen Ergebnissen kommen die jüngsten erstinstanzlichen Entscheidungen aus Oktober und November dieses Jahres des Landgerichts Frankfurt am Main vom 02.10.2020 (LG Frankfurt a. M. Urt. v. 2.10.2020 – 2-15 O 23/20, BeckRS 2020, 26613, beck-online), des Landgerichts Mönchengladbach vom 02.11.2020 (LG Mönchengladbach Urt. v. 2.11.2020 – 12 O 154/20, BeckRS 2020, 30731, beck-online), des Amtsgerichts Köln vom 04.11.2020 (AG Köln Urt. v. 4.11.2020 – 206 C 76/20, BeckRS 2020, 32288, beck-online) sowie des Landgerichts Wiesbaden vom 05.11.2020 (LG Wiesbaden Urt. v. 5.11.2020 – 9 O 852/20, BeckRS 2020, 32449, beck-online). 


Einzig und allein das Landgericht München I hatte im September dieses Jahres die Gegenauffassung vertreten und das Vorliegen eines Mietmangels aufgrund der corona-bedingten Schließung mit Urteil vom 22.09.2020 bejaht (LG München I Endurteil v. 22.9.2020 – 3 O 4495/20, BeckRS 2020, 28189, beck-online). Auch das Landgericht München II ist dieser Entscheidung jedoch mit Urteil vom selben Tage bereits entgegengetreten (LG München II Endurteil v. 22.9.2020 – 13 O 1657/20, BeckRS 2020, 34250, beck-online).


Praxishinweis und Ausblick 

Die Diskussion rund um die Mietzahlungspflicht gewinnt aktuell unter Gewerbetreibenden wieder extrem an Relevanz: Seit dem 16.12.2020 befindet sich ganz Deutschland bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr im Lockdown, zahlreiche Läden des Einzelhandels müssen schließen und stehen daher erneut vor der viel diskutierten Frage der Mietzahlungspflicht. Gleiches gilt für Gastronomiebetriebe, die bereits seit November geschlossen sind. Aufgrund der sich abzeichnenden, recht eindeutigen Auffassung in der Rechtsprechung ist derzeit nicht zu empfehlen, die Mietzahlungen auszusetzen. Allerdings bleibt die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuwarten, welcher sich demnächst sicherlich mit dem Thema zu beschäftigen haben wird. 



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Betriebsschließungsversicherung

In Folge der weltweiten Corona-Pandemie wurden zahlreiche Betriebe, vom kleinen Eiscafé um die Ecke bis hin zu großen Hotelketten aufgrund behördlicher Anordnung gezwungen, ganz oder teilweise ihren Betrieb einzustellen. Hart getroffen hat es insbesondere die Gastronomiebranche, bei der zum Stand heute immer noch keine Lockerungen der Maßnahmen in Sicht sind. Im Zuge dessen fragen sich viele Betriebsführer und Geschäftsinhaber: Wer kommt für meinen Schaden auf? Greift in einem solchen Fall meine Versicherung? Der den Unternehmen entstandene Schaden kann von der Versicherung übernommen werden, sofern eine sogenannte Betriebsschließungsversicherung besteht. 


Was ist eine Betriebsschließungsversicherung?

Eine sogenannte Betriebsschließungsversicherung wird grundsätzlich für den Fall abgeschlossen, dass der versicherte Betrieb aufgrund einer behördlichen Anweisung zur Schließung des Betriebes nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) finanzielle Einbußen erleidet. Einer Schließung des Betriebs steht es gleich, wenn für alle Betriebsangehörigen ein Tätigkeitsverbot erlassen wird. Insbesondere Unternehmen, die im weitesten Sinne mit Lebensmitteln arbeiten oder diese zumindest anbieten, haben häufig eine solche Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. 


Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit die Betriebsschließungsversicherung greift?

In der Regel findet sich folgende Formulierung in den Vertragsbedingungen: „Der Versicherer leistet Entschädigung für den Fall, dass von der zuständigen Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) der versicherte Betrieb geschlossen wird.“ Hier sollte Versicherungsschutz bestehen unabhängig davon, ob die Schließung von einer Bundes- oder Landesbehörde angeordnet wurde. 


COVID-19 ist nicht ausdrücklich in meinen Versicherungsbedingungen geregelt - besteht trotzdem ein Versicherungsschutz?

Teilweise sind in den Versicherungsbedingungen einzelne Krankheiten aufgelistet. Eine solche Auflistung ist jedoch in der Regel nur beispielhaft. Dass COVID-19 nicht ausdrücklich in den Versicherungsbedingungen geregelt ist, ist einzig der Tatsache geschuldet, dass COVID-19 ein neuartiges Virus ist. Zudem stellt COVID-19 mittlerweile eine nach dem IfSG gelistete Krankheit dar. Mit der Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 S. 1 des IfSG wurde das IfSG um das Coronavirus ergänzt, sodass dieses seit dem 01.02.2020 ausdrücklich der Meldepflicht unterliegt. Ob Versicherungsschutz besteht, wird stets nach der Formulierung der Vertragsbedingungen im Einzelfall zu prüfen sein, jedoch ist davon im Rahmen einer Vertragsauslegung auszugehen. Teilweise verweisen die Bedingungen lediglich pauschal auf das IfSG als Ganzes, sodass ein Versicherungsschutz jedenfalls in diesem Fall bestehen dürfte. 


Welche Versicherungsleistungen sind in einer Betriebsschließungsversicherung enthalten?

Welche Versicherungsleistungen Ihre Betriebsschließungsversicherung beinhaltet, können Sie individuell Ihren Versicherungsbedingungen entnehmen. In der Regel umfasst die Betriebsschließungsversicherung den gesamten Schließungsschaden. Meist wird eine vereinbarte Tagesentschädigung gewährt. Hierzu gehören beispielsweise Waren- und Vorratsschäden sowie Gehaltsaufwendungen für die dem Tätigkeitsverbot unterliegenden Personen. Oft sind die Leistungen befristet, beispielsweise bis zu einer Dauer von sechs Wochen nach behördlicher Anordnung. 


Sind Klauseln in den Vertragsbedingungen wirksam, welche neu auftretende Krankheiten von dem Deckungsschutz ausnehmen?

Teilweise finden sich in den Versicherungsbedingungen Klauseln versteckt, welche neu auftretende Krankheiten pauschal von der Versicherungsleistung ausschließen. Die Wirksamkeit solcher Klauseln ist äußert fragwürdig, da sie intransparent sind und der Versicherungsnehmer mit einer solchen Klausel nicht unbedingt zu rechnen brauchte. Es bleibt abzuwarten, ob die Gerichte solche Klauseln bestätigen werden. 


Wann kann der Anspruch auf Entschädigung entfallen?

In der Regel entfällt der Anspruch auf Entschädigung, sofern dem Versicherungsnehmer Anspruch auf Schadensersatz aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zusteht, beispielsweise nach den Vorschriften des IfSG. 


Mit welcher Begründung lehnen die Versicherungen eine Kostenübernahme ab?

Die aktuellen Erfahrungen zeigen, dass die Versicherungen sich mit unterschiedlichen Argumentationen von der Haftung zu befreien versuchen. Häufig wird die Begründung verwendet, der Betrieb sei lediglich durch eine Allgemeinverfügung geschlossen worden, sodass kein konkreter Infektionsfall in dem jeweiligen Betrieb vorläge. Deshalb ginge auch keine konkrete Gefahr von dem einzelnen Betrieb aus. Allerdings lässt sich den Versicherungsbedingungen in der Regel nicht entnehmen, dass gerade eine konkrete Gefahr von dem betreffenden Betrieb ausgehen muss. Auch ist in den meisten Versicherungsbedingungen gerade nicht geregelt, dass sich die behördliche Anordnung explizit an den versicherten Betrieb richten muss, sodass eine Schließung in Folge einer Allgemeinverfügung nicht ausreiche. 


Meine Versicherung hat mir einen Vergleich angeboten. Soll ich diesen annehmen?

Viele Versicherungen bieten ihren Versicherungsnehmern dieser Tage „freiwillige Soforthilfen“ an. Auf den ersten Blick wirkt eine solche Soforthilfe positiv und zuvorkommend seitens der Versicherung, allerdings sollte der Versicherungsnehmer hier Vorsicht walten lassen: Die Soforthilfen betragen häufig nur zwischen 10 und 15 Prozent der in dem Versicherungsvertrag vereinbarten Tagessätze für Betriebsschließungen. Nimmt der Versicherungsnehmer das Angebot der Versicherung an, verzichtet er gleichzeitig auf die ihm – gegebenenfalls zustehende – volle Versicherungssumme. Aus diesem Grund ist es stets ratsam, den konkreten Einzelfall einer juristischen Prüfung zu unterziehen. Dies gilt insbesondere, wenn die Versicherung eine Schadensübernahme pauschal abgelehnt hat. 


Hängt ein Versicherungsschutz mit der Gewährung von Kurzarbeitergeld zusammen?

Es sollte in jedem Fall beachtet werden, dass die Gewährung von Kurzarbeitergeld von einer Versicherungsleistung abhängig gemacht werden kann. Die Bescheide der Agentur für Arbeit betreffend das Kurzarbeitergeld müssen dahingehend überprüft werden, ob sie eine Klausel enthalten, die Gewährung von Kurzarbeitergeld von dem Eingreifen einer Betriebsschließungsversicherung abhängig machen. Wichtig ist dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, falls eine finanziell verhältnismäßig geringe „Soforthilfe“ von der Versicherung in Anspruch genommen wird. Da dies auf Kosten der etwaigen Zahlung von Kurzarbeitergeld geschehen kann, sollte die Zustimmung zu einer insbesondere geringen „Soforthilfe“ sorgfältig überlegt sein. 


Wichtig: Obliegenheitspflichten des Versicherungsnehmers beachten!

Beachten Sie die vertraglich individuell vereinbarten Meldepflichten. Meist ist die Betriebsschließung der Versicherung unverzüglich nach Schließung anzuzeigen, damit ein Anspruch auf die Versicherungsleistung besteht. 


Im Ergebnis sollte wohl in den meisten Fällen ein Versicherungsschutz bestehen und damit die Ablehnung des Deckungsschutzes durch die Versicherungen unrechtmäßig sein. Bei Ausbruch des Virus COVID-19 im asiatischen Raum hatten hier zu Lande sogar noch Anfang dieses Jahres einige Versicherungen mit dem Abschluss einer Betriebsschließungsversicherung geworben. Viele Betriebe schlossen eine Versicherung aus eben diesem Grund ab.


Wir beantworten Ihnen gerne Ihre Fragen rund um den Deckungsschutz Ihrer Betriebsschließungsversicherung – sprechen Sie uns an!



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Corona und Kurzarbeit (02.04.2020)

In Folge der Corona-Pandemie gewinnt das Thema „Rund um die Kurzarbeit“ zunehmend an Bedeutung. Nachstehend möchten wir Ihnen einen rechtlichen Überblick über die Fragestellungen geben, die uns in dieser Zeit am Häufigsten erreicht haben, um Ihnen sowohl aus Arbeitgeberperspektive, als auch aus der Sicht eines Angestellten eine erste Hilfestellung zu geben. 


1. Was ist Kurzarbeit?

Zweck der Kurzarbeit ist es, trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Unternehmens, die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu ermöglichen und Entlassungen zu vermeiden. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in einem Unternehmen zahlt die Agentur für Arbeit das Kurzarbeitergeld für den vorübergehenden Arbeitsausfall. Auf diese Weise wird der Arbeitgeber bei den Kosten der Beschäftigung seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlastet. 


2. Was sind die rechtlichen Grundlagen des Kurzarbeitergeldes?

Das Kurzarbeitergeld ist im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) in den §§ 95 ff. geregelt. Dort sind die Anspruchsvoraussetzungen für die Beantragung des Kurzarbeitergeldes, sowie die betrieblichen Voraussetzungen, als auch die persönlichen Voraussetzungen der Angestellten gesetzlich normiert. 


3. Wann habe ich als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld?

Nach § 95 SGB III besteht ein Anspruch der Angestellten auf Zahlung von Kurzarbeitergeld dann, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt und sowohl die betrieblichen, als auch die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind, sowie der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist. 


4. Welche Rahmenbedingungen müssen für den Erhalt des Kurzarbeitergeldes erfüllt sein?

Die Kurzarbeit muss innerhalb des Betriebes zwischen dem Arbeitgeber und den betroffenen Beschäftigten vereinbart werden. Durch die vereinbarte arbeitsrechtliche Reduzierung der Arbeitszeit geht damit dann ein entsprechender Lohnausfall einher. Folgende Rahmenbedingungen müssen erfüllt sein:

  • Der Arbeitsausfall beruht auf wirtschaftlichen Gründen.
  • Der Arbeitsausfall ist unvermeidbar.
  • Der Arbeitsausfall ist von vorübergehender Natur.
  • Der Arbeitsausfall wurde bei der Agentur für Arbeit angezeigt. 
  • Die betroffenen Angestellten setzen nach Beginn des Arbeitsausfalls ihre Beschäftigung fort, ohne dass eine Kündigung erfolgt ist. 
  • Der Arbeitsausfall ist erheblich.


5. Wann gilt der Arbeitsausfall als erheblich?

Ein Arbeitsausfall ist nach § 96 SGB III als erheblich einzustufen, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, vorübergehend und nicht vermeidbar ist und im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttogehalts betroffen sind. Bei den Beschäftigten sind Auszubildende nicht mitzuzählen. Neu ist durch die beschlossenen Erleichterungen der Bundesregierung, dass der Arbeitsausfall bereits als erheblich einzustufen ist, wenn mindestens 10 % der Beschäftigten im Betrieb von einem Arbeitsausfall betroffen sind (und nicht mindestens ein Drittel, wie es § 96 SGB III eigentlich vorschreibt). Diese Regelung ist bis zum 31.12.2020 befristet. 


6. Wann ist der Arbeitsausfall nicht mehr vermeidbar?

Der Betrieb muss grundsätzlich vor Beantragung des Kurzarbeitergeldes alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen haben, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Als vermeidbar im Sinne von § 96 SGB III gilt insbesondere ein Arbeitsausfall, der durch die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub ganz oder teilweise verhindert werden kann. Hier besteht allerdings eine Einschränkung dahingehend, dass dies nur gilt, soweit vorrangige Urlaubswünsche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Urlaubsgewährung nicht entgegenstehen. 


7. Muss ich meinen gesamten Jahresurlaub nehmen, bevor die Voraussetzung des Kurzarbeitergeldes erfüllt sind?

Grundsätzlich gilt, wie unter Punkt 5 erläutert, dass der Arbeitgeber alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Arbeitsausfalls vorrangig getroffen haben muss. Das bedeutet, dass er grundsätzlich von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verlangen kann, Resturlaub (insbesondere auch aus dem Vorjahr) zu nehmen und Überstunden vorrangig abzubauen. Dies gilt jedoch nur unter der benannten Einschränkung, soweit vorranginge Urlaubswünsche der Urlaubsgewährung nicht entgegenstehen. Wann dies der Fall ist, wird stets als Frage des Einzelfalls zu beurteilen sein. Hier wird wohl insbesondere eine Differenzierung zwischen bereits genehmigten und noch nicht genehmigten Urlaub erfolgen müssen. Insbesondere stehen vorrangige Interessen der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers wohl dann entgegen, wenn der Urlaub nicht nur bereits genehmigt wurde, sondern darüber hinaus bereits Reisen gebucht und bezahlt wurden. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall die Rücknahme bereits genehmigten Urlaubs ebenfalls als zumutbar zu erachten ist. 


8. Was sind die betrieblichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld?

Jeder Betrieb, der mindestens eine Arbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer beschäftigt, erfüllt die betrieblichen Voraussetzungen für die Beantragung von Kurzarbeitergeld, vgl. § 97 SGB III. 


9. Welche persönlichen Voraussetzungen müssen in der Person der Angestellten erfüllt sein?

Das Beschäftigungsverhältnis muss nach wie vor bestehen, darf also nicht durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag beendet worden sein. Auch sind die Voraussetzungen insbesondere nicht während des Bezugs von Krankengeld erfüllt, vgl. § 98 SGB III. Neu ist in Zeiten der Corona-Krise, dass auch Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer Kurzarbeitergeld beziehen können. 


10. Wer muss die Kurzarbeit anzeigen?

Die Kurzarbeit kann nur vom Arbeitgeber angezeigt werden. Die Anzeige hat bei der Agentur für Arbeit in dem Bezirk zu erfolgen, wo der betreffende Betrieb seinen Sitz hat, vgl. § 99 SGB III. Den Vordruck zur Anzeige des Arbeitsausfalls finden Sie auf der Website der Bundesagentur für Arbeit.


11. Was muss eine Anzeige des Arbeitsausfalls beinhalten?

Mit der Anzeige ist glaubhaft zu machen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall besteht und die betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld erfüllt sind. Weitere Hinweise zum Antragsverfahren finden Sie auf der Website der Bundesagentur für Arbeit.


12. Wie mache ich glaubhaft, dass für die Anzeige von Kurzarbeit wirtschaftliche Gründe vorliegen?

Grundsätzlich muss der Arbeitgeber das Vorliegen von wirtschaftlichen Gründen beweisen. Im Anzeigenformular der Agentur für Arbeit müssen die wirtschaftlichen Ursachen ausführlich begründet werden. Daneben enthält das Formular eine Erklärung des Arbeitgebers, dass er die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat. 


13. Wie lange kann die Kurzarbeit veranlasst werden?

Die gesetzliche Bezugsdauer beträgt 12 Monate, vgl. § 104 SGB III. In Einzelfällen kann sie durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf maximal 24 Monate verlängert werden. 


14. Welchen Umfang kann die Kurzarbeit haben?

Die Reduzierung der Arbeitszeit kann bedarfsentsprechend vereinbart werden. Möglich ist auch ein 100 %-iger Arbeitsausfall, sogenannte „Kurzarbeit null“, das heißt, die Arbeit wird für einen vorübergehenden Zeitraum vollständig eingestellt. 


15. In welcher Höhe wird Kurzarbeitergeld gezahlt?

Die Höhe des gezahlten Kurzarbeitergeldes berechnet sich nach der Höhe des ausgefallenen Nettogehaltes, vgl. § 105 SGB III. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten grundsätzlich 60 % ihres ausgefallenen Nettogehaltes. Lebt mindestens ein Kind im Haushalt des Kurzarbeitenden, beträgt das Kurzarbeitergeld 67 % des Nettogehaltes. Neu ist, dass die Sozialversicherungsbeiträge, die der Arbeitgeber für seine kurzarbeitenden Beschäftigten allein tragen müsste, von der Bundesagentur für Arbeit vollständig erstattet werden. 


16. Wann wird das Kurzarbeitergeld nach Anzeige erstmals ausgezahlt?

Die Auszahlung erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. Das Kurzarbeitergeld wird frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist, vgl. § 99 Abs. 2 SGB III. Nach Eingang der Anzeige hat die Agentur für Arbeit der oder dem Anzeigenden unverzüglich einen schriftlichen Bescheid darüber zu erteilen, ob auf Grund der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen ein erheblicher Arbeitsausfall tatsächlich vorliegt und die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind (Stufe 1). Sodann errechnet der Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld und zahlt es an die Beschäftigten aus. Im Anschluss richtet er innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten einen schriftlichen Antrag auf Erstattung des von ihm verauslagten Kurzarbeitergeldes an die Agentur für Arbeit. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalendermonats, für den das Kurzarbeitergeld beantragt wurde. Den Erstattungsantrag finden Sie auf der Website der Bundesagentur für Arbeit


17. An wen wird das Kurzarbeitergeld ausgezahlt?

Der Arbeitgeber zahlt das gekürzte Gehalt und berechnet das Kurzarbeitergeld, welches er an seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auszahlt. Anschließend stellt er einen Erstattungsantrag. Die Agentur für Arbeit erstattet sodann dem Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld. 


18. Wie wird das Kurzarbeitergeld berechnet?

Mittlerweile werden im Internet diverse Softwares zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes zur Verfügung gestellt. Zudem finden Sie eine aktualisierte Tabelle zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes auf der Website der Bundesagentur für Arbeit.


19. Was passiert, wenn das Unternehmen vor Auszahlung des Kurzarbeitergeldes insolvent geht?

Nach § 108 Abs. 4 SGB III kann die Agentur für Arbeit die bereits ausgezahlten Beträge als Insolvenzgläubigerin zurückverlangen, wenn über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet wird und das Unternehmen bereits Beträge zur Auszahlung an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten, jedoch noch nicht ausgezahlt hat. 


20. Gelten die Regelungen der Kurzarbeit auch für Angestellte im Home-Office?

Nach § 103 Abs. 1 SGB III haben auch Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn sie ihren Lebensunterhalt ausschließlich oder weitaus überwiegend aus dem Beschäftigungsverhältnis als Heimarbeiterin oder Heimarbeiter beziehen. 


21. Müssen alle in einem Betrieb Beschäftigten ihre Arbeitszeit um denselben Prozentsatz reduzieren?

Die Arbeitszeit muss nicht für alle Kurzarbeitenden gleichermaßen reduziert werden. Die Kurzarbeit beruht der Intensität nach auf der Vereinbarung mit dem jeweiligen Beschäftigten. 


22. Wie wirkt sich die Kurzarbeit auf den Rentenanspruch aus?

Während Kurzarbeitergeld bezogen wird, sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterhin rentenversichert. Ein Nachteil durch das verminderte Arbeitsentgelt besteht in Bezug auf die spätere Höhe der Rente nicht, denn vom Arbeitgeber werden zusätzlich Beträge auf Grundlage von 80 % des Entgeltausfalls getragen. 


23. Können Beschäftigte während der angemeldeten Kurzarbeit gekündigt werden?

Zwar soll die Kurzarbeit im Verhältnis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses ein milderes Mittel darstellen; allerdings schließt die Vereinbarung von Kurzarbeit eine betriebsbedingte Kündigung nicht vollständig aus, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens eine Weiterbeschäftigung nicht zulässt. 

Wir hoffen, Ihnen mit den vorstehenden Informationen bereits geholfen zu haben. Gerne können Sie uns für eine weitergehende Beratung kontaktieren. Zusätzliche Informationen zum Thema Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld finden Sie zudem auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales


Beste Grüße und bleiben Sie gesund!

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Corona Hilfspaket der Bundesregierung vom 25.03.2020 (26.03.2020)

In Folge der zunehmend fortschreitenden Krise rund um das Corona-Virus hat die Bundesregierung am Mittwoch, den 25.03.2020, ein beispielloses Hilfspaket beschlossen, welches eine Reihe von neuen Gesetzen sowie Gesetzesänderungen beinhaltet. Vorgesehen ist ein Nachtragshaushalt in Form einer Neuverschuldung in Höhe von 156 Milliarden Euro. Zur Verdeutlichung der Höhe dieser Summe sei gesagt, dass der Gesamthaushalt des Bundes bei 350 Milliarden Euro liegt. 


Die beschlossenen Maßnahmen betreffen uns alle in vielerlei Hinsicht, weshalb wir Ihnen über diese im Folgenden einen kurzen Überblick geben möchten. 


1. Mietrecht

Mieter, die wegen der Corona-Krise ihre Miete nicht zahlen können, können nicht aufgrund dieses Zahlungsverzugs gekündigt werden.


Grundsätzlich sieht § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB vor, dass ein Kündigungsgrund vorliegt, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Errichtung der Miete in Verzug ist. Eine auf Zahlungsverzug gestützte Kündigung soll nunmehr in Zeiten der Corona-Krise sowohl für gewerbliche Mietverhältnisse als auch für die Wohnraummiete vorrübergehend unwirksam sein, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruht. Der Mieter muss dies glaubhaft machen, sprich Tatsachen darlegen, die drauf hindeuten, dass beispielsweise ein Auftragsrückgang einen Umsatzeinbruch in Zeiten der Krise zur Folge hatte.


Diese Regelung betrifft fällige Mieten ab dem 01.04.2020 und ist zunächst befristet bis zum 30.06.2020. Etwaige, in dieser Zeit entstandene Rückstände muss der Mieter innerhalb von zwei Jahren ausgleichen. 


Wichtig ist in diesem Zusammenhang jedoch klar zu stellen, dass der Mieter bei Nichtzahlung der Miete trotzdem in Verzug gerät, auch wenn dieser Verzug den Vermieter nicht zur Kündigung berechtigt. Das bedeutet, dass der Vermieter die Mietforderung trotzdem im beschränkten Maße durchsetzen kann. Zum Beispiel kann er die Mietkaution verwerten oder seine Mietforderung mit etwaigen Gegenforderungen des Mieters aufrechnen. 


Anders ist dies bei sogenannten Dauerschuldverhältnissen von Verbrauchern oder Kleinstunternehmen zu beurteilen, die beispielsweise Mobilfunkverträge oder auch Stromlieferungsverträge abgeschlossen haben. Diesbezüglich hat der Bund ein sogenanntes „Recht auf Stundung“ der Zahlungsverpflichtung beschlossen. 


2. Finanzhilfen für Unternehmen, Solo-Selbstständige und Arbeitnehmer 

Für kleine bis mittelständische Unternehmen soll sichergestellt werden, dass sie für laufende Verpflichtungen in der Krise trotz Umsatzeinbrüchen aufkommen können. Für Solo-Selbstständige sowie Kleinunternehmen sollen daher schnelle Hilfen ausgezahlt werden. So sollen Kleinbetrieben mit bis zu fünf Beschäftigten direkte Zuschüsse bis zu 9.000 € für drei bis maximal fünf Monate ausgezahlt werden, Betrieben mit bis zu zehn Beschäftigten 15.000 €. 


Wichtig ist, dass der Schadenseintritt nach dem 11.03.2020 zustande gekommen sein muss. 


Eine weitere Möglichkeit eröffnet die Bundesregierung dahingehend, dass Steuerzahlungen gestundet werden können. Es soll die Möglichkeit geben, geringere Vorauszahlungen mit den Finanzämtern zu vereinbaren, um die Ausgabenlast für Kleinunternehmen zu verringern. 


Für Großunternehmen stehen sogenannte Stabilisierungsfonds zur Verfügung. Zudem soll die Möglichkeit bestehen, Unternehmen ganz oder teilweise zu verstaatlichen, welches dann nach der Krise wieder rückgängig gemacht werden kann. 


Die Bundesregierung hat darüber hinaus eine Einkommenshilfe für berufstätige Elternteile beschlossen, die in Folge des Schulausfalls ihrer Kinder und fehlender Kinderbetreuung nicht arbeiten gehen können. Demnach soll Eltern von Kindern unter zwölf Jahren ein Anspruch auf Kompensation ihres Lohnausfalls in Höhe von rund 67 % zustehen. 


Betreffend die bereits beschlossenen Regelungen zur Kurzarbeit verweisen wir auf unseren Newsletter zu Covid-19 vom 20.03.2020. 


3. Öffentliches Recht 

Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) wurde durch den Beschluss der Bundesregierung mit sofortiger Wirkung reformiert. Im Kern ist eine Kompetenzstärkung des Bundes selbst und insbesondere des Bundesgesundheitsministers beschlossen worden. Die neuen Regelungen sollen greifen, wenn eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite vorliegt“. Die Feststellung einer solchen Lage wird zukünftig dem Bundestag obliegen. In Folge einer solch epidemischen Lage soll der Bund beispielsweise Arzneimittel beschlagnahmen können und der Gesundheitsminister die Möglichkeit bekommen, per Rechtsverordnung regieren zu können. Reisende dürfen an den deutschen Außengrenzen medizinisch kontrolliert werden. 


Nicht Eingang gefunden in das Infektionsschutzgesetz hat die Ortung von Handy-Daten. Diesbezüglich gab es Überlegungen, dass Handy-Daten von betroffenen Personen ausgewertet werden können, um nachvollziehen zu können, mit welchen Personen diese Kontakt hatten und auf diese Weise Infektionsketten rekonstruieren zu können. Eine solche Reform des Infektionsschutzgesetzes wurde vom Bundestag vorerst aufgrund technischer und datenschutzrechtlicher Gründe abgelehnt. 


Im Insolvenzrecht wurde zudem die Drei-Wochen-Frist zur Insolvenzantragsstellung bis zum 30.09.2020 ausgesetzt, um Unternehmen zu schützen, die in Folge der Corona-Epidemie in eine finanzielle Schieflage geraten. Damit soll verhindert werden, dass Unternehmen nur deshalb Insolvenz anmelden müssen, weil die von der Bundesregierung beschlossenen Hilfsmaßnahmen nicht rechtzeitig bei ihnen ankommen. 

Beste Grüße und bleiben Sie gesund!

Ihr Kanzleiteam von

vlv Verweyen Lenz-Voß


Mögliche juristische Auswirkungen der Pandemie (20.03.2020)

Man sieht nur die Folgen...

Leere Straßen, fallende Börsenkurse, geschlossene Grenzräume quer durch Europa – COVID-19 hat Deutschland fest im Griff und führt es unruhigen Zeiten entgegen. Wir alle hoffen, dass die gesundheitlichen Folgen dieses Virus` überschaubar bleiben. Wirtschaftlich sind sie schon jetzt gewaltig.


Umso wichtiger ist es, dass Personen wie Unternehmen auch im Rechtsverkehr mit Augenmaß agieren, ihre Handlungsoptionen kennen und auf optionale Szenarien bestmöglich vorbereitet sind. 


Dabei sollen die nachstehenden Worte einen kurzen Überblick über die wichtigsten rechtsrelevanten Themenkomplexe bieten:


1. Allgemeines Vertragsrecht

Prinzipiell gilt auch in Krisenzeiten der Grundsatz „pacta sunt servanda“. Gleichzeitig nimmt die Verwendung sog. Force-Majeure-Klauseln stetig zu. Diese regeln Vertragsmodalitäten für den Eintritt unabwendbarer Ereignisse (höhere Gewalt). Nach dem Bundesgerichtshof ist höhere Gewalt ein


„von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis.“ (BGH, Urt. v. 16.05.2017, Az. X ZR 142/15).


Ob eine Corona-bedingte Verletzung vertraglicher Leistungspflichten einen solchen Fall höherer Gewalt darstellt, ist – wie so häufig – eine Frage des Einzelfalls. Stets beachtlich in diesem Zusammenhang ist, ob vertraglich bestimmte Bedingungen/ Ankündigungen/ (Schrift)Formerfordernisse und/oder Kompensationen für die Ziehung dieser Klausel einzuhalten sind.


Neben der vertraglichen Ausgestaltung gibt es infolge des Coronavirus` zahlreiche Konstellationen, die geeignet sind, die gesetzlich normierten Rechtsfolgen der Unmöglichkeit auszulösen (Lieferengpass/ Ausgangssperre u.a.). Der Anspruch auf Leistung ist danach ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Ebenso darf der Schuldner die Leistung verweigern, wenn sie dem persönlich-leistungsverpflichteten Schuldner nicht zumutbar ist oder der Leistungserfolg nur unter grob unverhältnismäßigem Aufwand erreicht werden kann.


Beachte: Nur die Unmöglichkeit wirkt kraft Gesetz. 

Die Leistungsverweigerungsrechte sind Einreden, die erhoben werden müssen. Dies gewährt Gestaltungsoptionen, birgt aber auch Risiken.


Damit ist die Unmöglichkeit nebst bezeichneter Leistungsverweigerungsrechte ein geeignetes Mittel, sich (vorübergehend) von einer Leistungspflicht zu befreien. Eine etwaige Schadenersatzpflicht, die sich aus der Nichtleistung ergeben kann, bleibt davon unberührt.


Aus diesem Grund ist es zweckmäßig neben der Unmöglichkeit stets auch den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu prüfen. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage führt grundsätzlich nicht zur Auflösung des Vertrags, sondern zur Anpassung seines Inhalts an die veränderten Verhältnisse, ohne dass hieraus einer Partei die Pflicht zum Schadensersatz erwachsen würde. Nur wenn die Fortsetzung des Vertrags für eine Partei eine unzumutbare Härte bedeutet, kann das Vertragsverhältnis nach wirksamer Rücktrittserklärung auch aufgelöst werden.


Der Wegfall der Geschäftsgrundlage ist kodifizierter Ausfluss des das dt. Privatrecht durchziehenden Gebots von Treu und Glauben. Wenn alles andere versagt, kann dieser Grundsatz helfen, ein im Einzelfall gerechtes Ergebnis zu erstreiten.

 

In jedem Fall ist ernstlich darüber nachzudenken, bestehende oder künftige Verträge um eine vertragliche „Corona-Klausel“ zu ergänzen. Dies gilt grundsätzlich für jedes Rechtsgebiet, insbesondere aber für das Handels- / Werk- und Dienstleistungsrecht.


2. Mietrecht

Da COVID-19 keine erkennbaren Auswirkungen auf den Wohnmietraum hat, richten sich nachstehend Ausführungen speziell auf den Gewerbemietraum:


Um zu beurteilen, welche Rechte und Pflichten den Vertragsparteien zustehen, ist von maßgeblicher Bedeutung, welche Seite den „ersten Schritt“ macht. Stellt der Vermieter dem Mieter die Mietsache nicht länger zur Verfügung, verliert er seinen Anspruch auf Miete und macht sich darüber hinaus gegebenenfalls schadenersatzpflichtig.


Etwas anderes gilt, wenn der Mieter die Mietsache aufgrund hoheitlicher Anordnung nicht weiter nutzen kann (Quarantäneanordnung/ generelles Betriebsverbot der mietvertraglich festgesetzten Nutzung u.a.). In diesem Fall hindert eine öffentlich-rechtliche Maßnahme den Mieter daran, die von ihm gemieteten Räume zu nutzen.


Die Rechtsprechung führt zu der Frage, ob und wann eine öffentlich-rechtliche Einschränkung des Gebrauchs einer Mietsache einen Mangel der Mietsache darstellt klar aus:


„Zwar können öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder -hindernisse zu einem Mangel der Mietsache (...) führen (...). Das gilt allerdings nur dann, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben.“ (OLG Dresden, Beschl. vom 01.06.2017, 5 U 477/17).


Während der Vermieter also grundsätzlich das Risiko der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache trägt, trägt der Mieter ihr Verwendungsrisiko.

 

Bei einem generellen Betriebsverbot der mietvertraglich festgesetzten Nutzung liegt der Grund der Geschäftsschließung in der Art des Geschäftsbetriebs des Mieters und nicht in der Art der Beschaffenheit der Mietsache. Damit besteht die ungeminderte Mietzahlungspflicht grundsätzlich fort. Das schließt auch eine vorübergehende vertragliche Anpassung nach dem Gedanken des Wegfalls der Geschäftsgrundlage mit ein, da diese Regelung im Anwendungsbereich der Mietmängelgewährleistungsvorschriften ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urt. vom 11.12.1991, XII ZR 63/90). Gleichwohl spricht einiges dafür, dass sich die Rechtsprechung in den Corona-Fällen für eine anteilige Mietminderung und eine Quotelung des Mietzinses aussprechen könnte. 


Ob der jeweilige Mieter sich an seine Versicherung (Betriebsunterbrechungsversicherung) wenden kann, bleibt nach Maßgabe der geschlossenen Versicherungsverträge zu prüfen. Anzumerken ist, dass ein insolventer Mieter regelmäßig niemandem hilft. Gleichwohl ist festzustellen, dass COVID-19 im Einzelfall durchaus auch dazu genutzt werden kann, unliebsame Mietverhältnisse (einvernehmlich) aufzulösen. 


3. Arbeitsrecht

Am 13.03.2020 hat der Bundestag im Eilverfahren Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld beschlossen. Danach sollen ab April mehr Unternehmen als bisher die Leistung der Bundesagentur für Arbeit beantragen können.


Das geltende Recht sieht vor, dass mindestens ein Drittel der Beschäftigten von einem Arbeitsausfall betroffen sein muss. Neu ist, dass dieser Schwellenwert auf 10% der Beschäftigten, die vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen, abgesenkt wird.


Gemeinhin muss der Arbeitgeber alles tun, um Kurzarbeit zu vermeiden. So wird verlangt, dass die Spielräume von Arbeitszeitkonten genutzt werden. Neu ist, dass auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes verzichtet wird.


Der Arbeitgeber zahlt auf das Kurzarbeitergeld allein die Beiträge zur Sozialversicherung. Beiträge zur Arbeitslosenversicherung fallen im Rahmen des Kurzarbeitergeldes nicht an. Neu ist, dass die Verordnung vorsieht, dem Arbeitgeber diese Sozialversicherungsbeiträge voll zu erstatten.


Neu ist, dass das Kurzarbeitergeld auch für Beschäftigte in Leiharbeit beantragt werden kann. Arbeitgeber ist der Verleihbetrieb, der auch die Anträge stellen muss. Auch hier gilt, dass Kurzarbeitergeld erst nach der Abgeltung von Arbeitszeitguthaben (Plusstunden) gezahlt wird.


4. Öffentliches Recht

Das Infektionsschutzgesetz regelt bisher nur für individuelle Arbeitnehmer einen Anspruch gegenüber der zuständigen Behörde auf so genannte Verdienstausfallentschädigung. Dieser gilt für jene Arbeitnehmer, die als „Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern“ von der Behörde mit einem beruflichen Tätigkeitsverbot belegt wurden, vgl. § 56 IfSG. 

Die Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls (in den ersten sechs Wochen) wird vom Arbeitgeber ausgezahlt, § 56 Abs. 5 IfSG. Der Arbeitgeber hat gegen die Behörde dann einen Erstattungsanspruch hinsichtlich des gezahlten Verdienstausfalls.


Damit Beschäftigte aber möglichst lückenlos ihr Geld erhalten, ist der Arbeitgeber insoweit verpflichtet, mit der Entschädigungszahlung in Vorleistung zu gehen – allerdings nur für die Dauer von höchstens sechs Wochen. Danach zahlt die Behörde die Entschädigung direkt an die Beschäftigten aus. Falls der Arbeitgeber nicht in Vorleistung geht, können sich Beschäftigte mit ihrem Entschädigungsanspruch direkt an die zuständige Landesbehörde wenden. Sollten Beschäftigte im Laufe der Quarantäne tatsächlich erkranken, erhalten sie Entgeltfortzahlung bei Krankheit und anschließend (nach 6 Wochen) Krankengeld von der Krankenkasse.


Beste Grüße und bleiben Sie gesund!

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Neue Entscheidung des EuGH zum Widerruf von Verbraucherdarlehen (26.03.2020, Az. C-66/19)

„Kaskadenklauseln in Widerrufsinformationen von Verbraucherdarlehen sind mit Europäischen Recht nicht vereinbar.“  

Mit dieser Feststellung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 26. März 2020 über die Landesgrenzen hinaus für Aufmerksamkeit gesorgt.


Was hat der EuGH inhaltlich entschieden?

In seiner Entscheidung vom 26. März 2020, Az. C-66/19 , hat der EuGH festgestellt, dass die von Banken häufig verwendete Widerrufsbelehrung nicht der EU-Richtlinie 2008/48/EG entspricht. Der Hinweis innerhalb der Widerrufsbelehrung, dass der Kreditnehmer die „Pflichtangaben nach § 492 II BGB“ enthalten haben müsse, ist nicht in hinreichend klarer und prägnanter Form angegeben, sodass der Verbraucher nicht ohne weiteres erkennen kann, wann die Frist tatsächlich zu laufen beginnt. Es reicht gerade nicht aus, dass der Vertrag hinsichtlich Pflichtangaben, deren Erteilung an den Verbraucher für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich ist, auf andere Vorschriften verweist. Eine solche Kaskadenverweisung ist unzureichend, denn der Verbraucher kann weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung bestimmen, noch überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle erforderlichen Angaben enthält, erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist für ihn zu laufen begonnen hat. 


Wie sieht die typische von Banken verwendete Kaskadenverweisung aus?

Typischerweise findet sich die Kaskadenverweisung im zweiten Satz der Widerrufsbelehrung und ist wie folgt formuliert: „Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z.B. Angaben zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“


Was genau ist eine Kaskadenverweisung?

Die für den Verbraucher benötigten Informationen betreffend die Pflichtangaben, welche sodann den Fristbeginn auslösen, finden sich nicht direkt in § 492 Abs. 2 BGB, vielmehr verweist diese Vorschrift ihrerseits auf weitere gesetzliche Vorschriften. Eine solche Kaskadenverweisung hält der EuGH für einen Verbraucher ohne juristische Vorkenntnisse zur Bestimmung des Fristbeginns für unzumutbar. 


Welche Folgen hat das Urteil für den Verbraucher?

Die Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung hat zur Folge, dass die Widerrufsfrist von Kaskadenklauseln beinhaltenden Widerrufsinformationen nie zu laufen begonnen hat. Daraus folgt, dass der Verbraucher ggf. auch Jahre nach Abschluss des Verbraucherdarlehens den Kreditvertrag noch widerrufen kann, (sog. Widerrufsjoker). Im Ergebnis erlangt der Darlehensnehmer damit ein „ewiges Widerrufsrecht“. 


Welche Folgen hat ein Widerruf des Kreditvertrages?

Grundsätzlich folgt aus einem Widerruf die vollständige Rückabwicklung des Darlehensvertrages. Die sich hieraus ergebenden gestalterischen Optionen sind mannigfaltig. Die Entscheidung des EuGH bietet Verbrauchern beispielsweise die Möglichkeit einer Umschuldung zu deutlich verbesserten Zins-Konditionen vorzunehmen und so – gerade im Bereich der Bau- und Immobilienfinanzierung – mehrere zehntausend Euro einzusparen. Gleichzeitig macht der späte Widerruf die Rückforderung bereits gezahlter Vorfälligkeitsentschädigungen möglich . Eine weitere Rechtsfolge des Widerrufs ist, dass der Verbraucher berechtigt ist, die vertraglich vorgesehenen Zahlungen sofort einzustellen . Dies kann in Zeiten der Corona-Krise zu einem wichtigen Liquiditätsgewinn bzw. Liquiditätserhalt führen.


Gilt der „Widerrufs-Joker“ auch für KFZ-Finanzierungen?

Bei Kfz-Finanzierungen ab dem 13.06.2014 ist zu prüfen, ob dem Kreditinstitut hinsichtlich der Fahrzeugnutzung bis zum Widerruf Gegenansprüche zustehen. Tatsächlich sind bereits erstinstanzliche Urteile ergangen, nach denen sich der Verbraucher für die gefahrenen Kilometer keinen einzigen Cent von der Auto-Kreditbank abziehen lassen musste. Die Gerichte haben hier eine gesetzlich vorgesehene Sanktion für die Auto-Bank anerkannt. Die Verbraucher fuhren die Fahrzeuge damit „quasi umsonst“.


Welche Darlehensverträge enthalten eine Kaskadenklausel?

Da der Mustertext des EGBGB von 2010 bis 2016 eine Kaskadenklausel vorgab, finden sich in einer Vielzahl von Darlehensverträgen dieses Zeitraums fehlerhafte Widerrufsbelehrungen. Hierunter fallen Darlehensverträge mit Banken, wie beispielsweise der Commerzbank, der Deutschen Bank, der Postbank, einiger Sparkassen und Volksbanken sowie Direktbanken, unter anderem der Deutsche Kreditbank (DKB) und ING-DiBa. Ebenso sind die Kfz-Finanzierungen der großen Auto-Banken wie der Volkswagen Bank, der BMW Bank, der Mercedes-Benz Bank oder der Santander Consumer Bank betroffen.


Die aktuelle Entscheidung des EuGH sollte zum Anlass genommen werden, die eigenen Darlehensverträge einer umfassenden juristischen Prüfung zu unterziehen. Denn: es kann sich lohnen! Insbesondere aufgrund von etwaigen Verjährungs- und Verwirkungsmöglichkeiten sowie der Sicherung einer neuen Finanzierung ist es ratsam, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sprechen Sie uns an – wir freuen uns stets auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit. 


Ihr Kanzleiteam von
vlv Verweyen Lenz-Voß

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